Ein Mensch namens Jesus
über die Menge. Die vier Pharisäer warteten ab, ihre Gesichter waren angespannt vor Wut und Angst.
Jesus hob noch einmal die Stimme: »Die Rolle, die ihr bei Jokanaans Verhaftung gespielt habt, wird schwerer auf euch zurückfallen als der schlimmste Fluch des Himmels! Ich weiß, daß, wenn der Menschensohn kommt, ihr ihn auch verhaften lassen werdet, weil Wesen der Finsternis, die ihr seid, das Licht Gottes nicht ertragen können, aber der Fluch, der auf euch niedergeht, wird der grausamste sein, den die Kinder Israels jemals erlebt haben! Die wahren Dämonen, Pharisäer! War es euer Name, den ich angerufen habe, um diesen Mann zu heilen?«
»Steinigt ihn! Er beleidigt das Gesetz und den Sabbat und Israel! Der Teufel spricht mit seiner Zunge!« brüllte einer der Pharisäer. »Steinigt ihn, ich befehle es euch!«
Keiner rührte sich. Tausend Augenpaare ruhten auf den vier Pharisäern. Ein Kind ergriff einen Stein und warf ihn ihnen entgegen, dabei rief es: »Böse Leute!« Ein anderer Stein folgte, dann ein dritter... »Hört auf!« schrie Jesus. Die Pharisäer waren verschreckt zurückgewichen. »Kehrt in eure Düsternis zurück und bereut!« schrie Jesus. Die Pharisäer ergriffen die Flucht.
Judas und Johannes tauchten hinter Jesus auf. »Warum hast du sie nicht von der Menge steinigen lassen?« fragte Judas wütend.
»Nicht die Menschen muß man steinigen, sondern den Irrtum, der in ihnen wohnt«, antwortete Jesus. »Hast du jemals gesehen, daß ich einen Besessenen heilte, indem ich ihn steinigte?«
»Meister, du bist in Gefahr«, meinte Johannes. »Diese Männer sind mächtig, sie werden wiederkommen!«
Sie waren übrigens nicht weit, sondern standen oben auf den Stufen der Synagoge und beobachteten wie Raubvögel die Szene.
»Sie haben mehr Angst, als ich jemals haben werde«, erwiderte er. Dann wandte er sich an die Menge, die inzwischen mehr als tausend Menschen zählte. »Nehmt das Samenkorn auf, Männer und Frauen von Kafarnaum, und möge die Erfahrung in euch wachsen. Ihr konntet euch von der Bitterkeit überzeugen, die das Versprechen der Morgenröte in den Herzen der Finsternis hervorruft. Und dabei sind das die Menschen, die euer Leben leiten und im Namen des Gesetzes sprechen! Kein Zeichen Gottes und kein Akt guten Willens wird ihre Böswilligkeit bannen können. Nun denn, Kana und Chorazin, nun denn, Magdala und Betsaida! Wenn die guten Taten, die bei euch vollbracht wurden, in Tyrus und Sidon vollbracht worden wären, hätten diese schon lange bereut und hätten sich in Sackleinen gekleidet und mit Asche bedeckt! Aber das Schicksal von Tyrus und Sidon wird beneidenswerter sein als eures am Tag des Jüngsten Gerichts! Was dich angeht, Kafarnaum, wird man dich im Himmel preisen? Nein, man wird dich in den Abgrund schleudern!«
Frauen schrien, schlugen sich auf die Brust und zerkratzten sich mit den Fingernägeln das Gesicht, Männer zerrissen ihre Gewänder und riefen die göttliche Barmherzigkeit an. Simon Petrus beobachtete beunruhigt seinen Herrn. Jesus war blaß geworden, er schien zu schielen, und doch fuhr er, ohne ins Stocken zu geraten, mit seinen Verwünschungen gegen Kafarnaum fort.
»Wenn die guten Taten, die bei euch vollbracht wurden, in Sodom vollbracht worden wären, stände Sodom noch!«
Einige empörten sich über den grausamen Vergleich mit Sodom und riefen: »Wir sind keine Sodomiten, Messias!«
»Das Schicksal Sodoms, ich sage es euch, wird beneidenswert sein im Vergleich mit eurem am Tag des Jüngsten Gerichts!«
»Meister!« flüsterte Simon Petrus erschrocken.
Jesus hörte ihn nicht. Die verschreckte Menge begann sich zu zerstreuen, manche Frauen liefen schreiend davon, viele Männer schüttelten den Kopf, als hielten sie ihn für wahnsinnig. Nach einer Weile blieb nur noch eine Handvoll Leute übrig, vor allem junge Leute, die die Heftigkeit des Redners faszinierte.
»Ich danke Dir, Herr des Himmels und der Erde«, fuhr Jesus fort, »daß Du diese Dinge vor den weisen und gebildeten Menschen verborgen und sie einfältigen Menschen enthüllt hast! Und doch, Vater, grausam ist Deine Wahl!«
»Wovon redet er?« fragte jemand. »Was hat man vor wem verborgen? Wer sind die Weisen und Gebildeten?«
»Alles ist mir von meinem Vater anvertraut worden«, sagte Jesus. »Und keiner kennt den Sohn außer dem Vater, und keiner kennt den Vater außer Seinem Sohn und denen, denen der Sohn sich offenbaren will.« Die restlichen Zuhörer lauschten mit offenem Mund. Simon
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