Ein Mord von bessrer Qualität: Ein Fall für Lizzie Martin und Benjamin Ross (German Edition)
nicht wüsste, was er tut«, entgegnete ich. »Der Mord an Allegra Benedict war sehr sorgfältig geplant. Und jetzt verfügt er über eine effektive Methode, die er bereits dreimal benutzt hat, mindestens, wenn wir Miss Marchwood mitzählen. Er wird nicht zögern, erneut von ihr Gebrauch zu machen. Keine Frau ist vor ihm sicher!«
Noch am gleichen Abend wurde Joshua Fawcett in seiner Wohnung in Clapham ausfindig gemacht und zum Scotland Yard gebracht, wo er die Nacht vor seinem Verhör in einer Zelle schlafen musste. Dunn war der Ansicht, dass unserem Verdächtigen auf diese Weise der Ernst seiner Lage deutlich wurde. Ich sagte Lizzie nichts von alledem, als ich nach Hause kam. Wenn wir Fawcett festhielten, würde sich die Neuigkeit schnell genug herumsprechen, doch ich nahm nicht an, dass sie schon an diesem Abend bis in mein Haus vordrang. Es war früh genug, ihr alles zu erzählen, wenn wir Anklage erhoben – falls es so weit kam. Dunn war absolut sicher, dass ein oder zwei Sitzungen im Verhör ausreichten, um alles an Geständnis aus Fawcett herauszuholen, was wir brauchten. Ich war anderer Ansicht.
Und so fand ich mich früh am Morgen des nächsten Tages zu guter Letzt in einer Verhörzelle an einem Tisch mit Fawcett wieder. Endlich lernte ich den Mann persönlich kennen. Sergeant Morris und ein weiterer Beamter hatten die Verhaftung am Abend vorher durchgeführt. Morris’ Worten zufolge hatte Fawcett keinerlei Widerstand geleistet. Die Nacht in der Zelle schien ihn nicht weiter aus der Fassung gebracht zu haben. (Mir dämmerte, dass er wahrscheinlich bereits zu früheren Gelegenheiten Bekanntschaft mit dem Inneren von Polizeiwachen überall im Land gemacht hatte.) Beim Betreten des Verhörraums blickte er sich mit gelindem Interesse um, bevor er uneingeladen Platz nahm. Er hatte sich nicht rasiert, aber er sah immer noch schick aus, die Garderobe war sauber, nur die Schuhe waren ein wenig stumpf. Das lange Haar reichte in Locken bis zum Kragen, doch die diamantene Nadel war verschwunden, die er normalerweise in seiner Krawatte trug. Sie stellte eine Waffe dar und war ihm nicht nur wegen seiner eigenen Sicherheit weggenommen worden, sondern auch um der Beamten willen, die ihm nahe kamen. Im Großen und Ganzen jedoch wirkte er ziemlich unbeeindruckt. Er wirkte sehr überlegen. Sein Verhalten war beinahe so, als wäre er derjenige, der mich verhörte.
»Ich nehme an, mein Protest gegen dieses unerhörte Vorgehen ist wenig sinnvoll«, sagte er gelassen, während ich auf dem Stuhl ihm gegenüber Platz nahm. »Ich protestiere dennoch auf das Schärfste, und ich möchte, dass Sie das zu Protokoll nehmen.«
»Wie Sie meinen«, antwortete ich in einem Tonfall, der ihm, wie ich hoffte, klarmachte, dass er so energisch protestieren konnte, wie er wollte – es gab niemanden im Raum, den er damit beeindrucken konnte. Jeder Gelegenheitsdieb, jeder Kleinkriminelle, jeder Jed Sparrow dieser Welt ist schnell dabei, wenn es ums Protestieren geht.
Biddle, der mit Papier und Stift an der Seite saß, begann umständlich zu schreiben – vermutlich notierte er Fawcetts Protest, fürs Protokoll. Fawcett warf ihm einen Blick zu, und ein flüchtiges Lächeln huschte über sein Gesicht.
Er lächelte jedoch nicht mehr, als er mich wieder ansah. »Sie haben keinen Grund, das hier zu tun. Auf welche Weise kann ich Ihnen behilflich sein?«
»Ich hoffe, Sie können uns bei unseren Ermittlungen wegen des Mordes an Allegra Benedict weiterhelfen, und zwar ein ganzes Stück«, antwortete ich.
Er schüttelte den Kopf, als wüsste er überhaupt nicht, wovon ich redete. »Es tut mir leid, Inspector Ross, aber ich kann Ihnen nicht folgen, beim besten Willen nicht.«
»Sie werden doch wohl nicht abstreiten wollen, dass sie Mrs. Benedict kannten?«
»Nein, aber ich würde auch nicht sagen, dass ich sie gut kannte. Wir waren uns begegnet. Sie war zu Besuch bei einer oder zwei Abendveranstaltungen im Haus von Mrs. Jemima Scott, einer treuen Anhängerin und unermüdlichen Arbeiterin für unsere gute Sache. Miss Marchwood, eine weitere Stütze unserer Kongregation, hatte sie mitgebracht. Mrs. Benedict war eine sehr charmante Frau, wie ich mich sehr wohl erinnere, entweder italienischer oder französischer Herkunft. Selbstverständlich war ich schockiert, als ich von ihrem tragischen Tod erfuhr, und kurze Zeit darauf auch noch von Miss Marchwoods Dahinscheiden. Mrs. Scott war ebenfalls äußerst betrübt. Jeder normale Mensch würde so
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