Ein Pakt mit dem Teufel: Roman (German Edition)
anderen Medikament durchaus möglich ist, und Mylord haben selbst verfügt, dass der Bezug zum Gegenstand dieses Prozesses fehlt, wenn das Thema Opium – und sei es mit den groteskesten Verrenkungen – noch einmal aufgewärmt wird. Das ist Zeitverschwendung, unnötiges Schüren von Panik und womöglich Verleumdung von Ärzten, die nicht anwesend sind und folglich nicht ihre Ehre und ihren guten Ruf dagegen verteidigen können.«
Pendock war leichenblass geworden. Jeder konnte sehen, dass es ihn enorme Anstrengung kostete, die Fassung zu bewahren. »Ich glaube, wir müssen Miss Nisbet gestatten, uns zu erklären, was Dr. Lambourn so sehr bedrückte«, krächzte er. »Ich warne sie allerdings davor, Namen zu nennen, wenn sie keine Beweise für ihre Behauptungen hat. Das sollte Ihre Befürchtungen bezüglich übler Nachrede zerstreuen.« Er nickte Rathbone zu. »Bitte fahren Sie fort, Sir Oliver. Aber kommen Sie möglichst bald zu einem relevanten Bezug, vorzugsweise noch vor der Mittagspause.«
»Danke, Mylord.« Rathbone neigte höflich das Haupt. Noch bevor Coniston verwirrt und wütend an seinem Pult Platz genommen hatte, forderte er Agatha Nisbet zum Weitersprechen auf.
»Er hat mir ’ne Menge Fragen über Sucht gestellt«, berichtete sie leise. »Und welche Möglichkeiten es gibt, sie zu überwinden. Ich hab ihm gesagt, dass die meisten das nich’ schaffen.«
Die Stille im Saal war schier mit Händen zu greifen. Niemand, so schien es, wagte zu atmen oder sich auf seinem Sitz zu bewegen. Zu groß war die Angst, das geringste Rascheln von Stoff könnte ein Wort übertönen.
Das war der große Moment. Rathbone zögerte, atmete tief durch, und dann stellte er seine Frage.
»Und wie reagierte er, Miss Nisbet?«
»Er war schockiert«, antwortete sie schlicht. »Er hat mich gebeten, ihm Beweise dafür zu zeigen, damit er das alles besser verstehen und es in seine Studie für die Regierung aufnehmen kann.«
»Sagte er, warum er es in die Studie einfügen wollte?«
»Natürlich nich’, aber ich bin schließlich nich’ dämlich! Er wollte, dass die Regierung ein Gesetz macht, nach dem es ein Verbrechen is’, Opium zusammen mit Nadeln zu verkaufen, mit denen es ins Blut gespritzt werden kann. Er wollte, dass nur Ärzte, die genau wissen, was sie tun, es verabreichen dürfen.« Sie starrte ihn eindringlich an. In ihren Augen loderte abgrundtiefer Zorn, für den Worte einfach nicht zu genügen schienen. Sie blinzelte. »Er wollte erfahren, was es mit den Menschen anrichtet. Er wollte alles darüber wissen.«
»Und waren Sie damit einverstanden, seine Bitte zu erfüllen?«, fragte Rathbone sanft.
»Natürlich war ich das!«, fauchte sie in vernichtendem Ton, aber ihre Stimme verriet auch Schmerz. Schon beschlich Rathbone ein schlechtes Gewissen, weil er im Begriff war, ihr eine noch größere Belastung zuzumuten, doch er hatte keine andere Wahl. Seine Verteidigung Dinah Lambourns hatte nicht nur einen letzten Wendepunkt erreicht, von dem alles abhing, sondern er wusste auch, dass er dicht davorstand zu klären, weshalb Joel Lambourn gestorben war, und dass dies der Schlüssel zur vollen Wahrheit in dem ganzen Fall war. Im Vergleich zu dem grauenhaften Los, das Tausenden und Abertausenden bevorstand, war der Schmerz einer einzigen Person wirklich kein zu hoher Preis.
Coniston stand bereits wieder. »Mylord, Miss Nisbet mag ja eine ehrenhafte Frau sein, und ich will ihre Bemühungen in keiner Weise schmälern, aber das alles beruht doch auf Hörensagen! Ich darf annehmen, dass sie selbst nicht von Opium abhängig ist? Wenn doch, scheint sie das mit außerordentlichem Geschick verbergen zu können. Es wäre respektlos zu behaupten, es würde ihr helfen. Was ich aber tatsächlich unterstelle, ist, dass sie sich ihre Fähigkeiten durch Beobachten angeeignet hat, ohne je von Grund auf ausgebildet worden zu sein. Wenn wir all diese Dinge über Opium glauben sollen, müssen wir uns von Ärzten aufklären lassen, aber doch nicht von Miss Nisbet, so wohltätig ihre Arbeit auch sein mag.«
Pendock blickte Rathbone fragend an, helle Panik in dem hohläugigen Gesicht.
Rathbone drehte sich wieder zum Zeugenstand um. »Zu wem brachten Sie Dr. Lambourn?«
»Zu Doktor Alvar Doulting«, sagte sie heiser. »Den kenn ich schon seit Jahren. Geht auf Zeiten zurück, als er noch einer der besten Ärzte war, die es gab.«
»Und das ist er jetzt nicht mehr?«
Bitterkeit und Trauer traten in ihre Augen. »An manchen Tagen
Weitere Kostenlose Bücher