Ein süßer Traum (German Edition)
Blumen funkelten, und die Vögel sangen aus Leibeskräften. Das Paradies. Und wenn sie, Sylvia, diese Farm geschaffen hätte, dieses Haus gebaut, so hart gearbeitet – würde sie nicht auch so empfinden wie die Pynes, die ein starkes Gefühl der Ungerechtigkeit vergiftete? Drinks wurden eingeschenkt, und Lusaka und Sheba bekamen Leckerbissen; ihre Krallen kratzten und klapperten auf dem Zement, wenn sie mit schnappenden Kiefern aufsprangen. Und die ganze Zeit über redeten und redeten die Pynes besessen und bitter, während Sylvia ihnen zuhörte. Einmal hatte sie auf dieser Veranda gesagt – doch damals war sie Neophytin gewesen: »Aber wenn Sie, ich meine die Weißen, die Schwarzen ausgebildet hätten, dann gäbe es jetzt nicht so viele Probleme, nicht wahr? Sie wären geschult und effizient.«
»Wie meinen Sie das? Wir haben sie doch ausgebildet.«
»Es gab eine Höchstgrenze im öffentlichen Dienst«, sagte Sylvia. »Sie konnten nur bis auf eine ziemlich niedrige Ebene gelangen.«
»Unsinn.«
»Kein Unsinn«, hatte Cedric zugegeben. »Nein, wir haben Fehler gemacht.«
»Wer ist wir?«, fragte Edna. »Wir waren gar nicht da.«
Aber wenn
Fehler
sich einschreiben in eine Landschaft, in ein Land, eine Geschichte, dann … Vor hundert Jahren waren die Weißen in ein Land von der Größe Spaniens gekommen, mit einer Viertelmillion Schwarze in diesem ganzen riesigen Gebiet. Man könnte meinen –
man
ist hier das Auge der Geschichte, das aus der Zukunft blickt –, dass es nicht nötig gewesen wäre, jemandem Land wegzunehmen, wo es doch so viel gab. Aber was dieses Auge mit seinem vernünftigen Blick wohl außer Acht ließ, waren der Pomp und die Habsucht des Empire. Und wenn die Weißen außerdem Land haben und es innerhalb ordentlicher Zäune und klar gezogener Grenzen besitzen und behalten wollten, während die Schwarzen zum Land die Einstellung hatten, dass es ihre Mutter war und nicht von Einzelnen besessen werden konnte, dann stellte sich auch die Frage nach billiger Arbeitskraft. Als die Pynes in den fünfziger Jahren gekommen waren, hatte es noch immer nur eineinhalb Millionen Schwarze in diesem ganzen schönen Land gegeben, und nicht einmal zweihunderttausend Weiße. Eine leere Landschaft, mit den Augen des überfüllten Europa betrachtet. Als die Pynes diese Farm übernommen hatten, war die nationale Bewegung in Simlia noch nicht geboren gewesen. Als unschuldige, um nicht zu sagen, unwissende Seelen waren sie aus einem kleinen Landstädtchen in Devon gekommen, mit der Absicht, hart und nutzbringend zu arbeiten.
Jetzt saßen sie da und sahen zu, wie die Vögel im Sturzflug von den Weihnachtssternen, auf denen Regentropfen funkelten, ins Vogelbad flogen, sahen, wie nah die Hügel waren in der sauber gewaschenen Luft, und der eine sagte, ihn werde nichts dazu bewegen wegzugehen, und die andere sagte, sie habe es satt, Verbrecher genannt zu werden, sie habe die Nase voll.
Sylvia dankte ihnen von Herzen für ihre Freundlichkeit und wusste, dass sie sie für ein seltsames kleines Ding mit viel zu sentimentalen Ideen hielten, und dann fuhr sie durch den dunkler werdenden Busch zurück zur Mission. Dort schnitt sie beim Abendessen wieder das Thema an, dass sie angeblich eine südafrikanische Spionin sei, und Pater McGuire sagte, man habe ihn dessen auch schon bezichtigt. Und zwar deshalb, weil er bei Mr. Mandizi protestiert habe, die Schule sei eine Schande für ein zivilisiertes Land, und wo die Lehrbücher blieben?
»Es gibt hier eine ziemlich fortgeschrittene Form der Paranoia, mein Kind«, sagte er. »Es wäre gut, wenn Sie sich darüber nicht den Kopf zerbrechen würden.«
Um fünf am nächsten Morgen, als die Sonne noch ein schwaches gelbes Glühen hinter den Gummibäumen war, trat Sylvia hinaus auf die kleine Veranda und sah im Dämmerlicht eine tragische Figur, die die Hände rang und den Kopf gesenkt hielt in ihrem Schmerz oder Kummer … Sie erkannte Aaron.
»Was ist los?«
»Ach, Doktor Sylvia, ach, Doktor Sylvia …« Er ging langsam seitwärts auf sie zu, als hielte ein innerer Konflikt ihn zurück. Über sein normalerweise fröhliches Gesicht rannen Tränen. »Das wollte ich nicht. Ach, es tut mir so-so-so leid. Verzeihen Sie mir, Doktor Sylvia. Der Teufel ist in mich gefahren. Das ist ganz bestimmt der Grund.«
»Aaron, ich habe keine Ahnung, wovon du redest.«
»Ich habe Ihr Bild gestohlen, und deswegen hat mich der Pater geschlagen.«
»Aaron,
bitte
…«
Er brach auf
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