Eine Frau mit Geheimnis
er erst nach ihrer Abreise erhalten. Wie er die Informationen beurteilte, würde sie nicht erfahren. Aber in ihrem Herzen wusste sie es – er würde verstehen, was sie ihm mitzuteilen versuchte, wenn sie es auch verschlüsselt formulierte. In London hatten sie sich leidenschaftlich umarmt, ihre beiden Körper und Seelen waren eins gewesen.
Ganz sicher würde er alles verstehen.
Erstaunlich erfrischt war Dominic aufgewacht. So gut hatte er wochenlang nicht geschlafen, obwohl er sich vage an einen sonderbaren Traum erinnerte. Irgendetwas, das mit Kerzenwachs zusammenhing … Doch es spielte keine Rolle.
Einfach nur ein Traum.
Er schaute aus dem Fenster. Da es regnete, saßen der Zar und sein Gefolge im Hotel fest. Voller Ungeduld sehnten sie alle die Abreise herbei. Doch das Schiff konnte erst mit dem abendlichen Gezeitenwechsel auslaufen. Dominic warf einen Blick auf seine Uhr.
Nun war es an der Zeit, seine Pflichten zu erfüllen – ein letztes Mal. Zweifellos würde Seine Kaiserliche Majestät dem britischen Verbindungsoffizier überschwänglich für seine hervorragenden Dienste danken, im Gegensatz zu Castlereagh. Inzwischen hatte der Außenminister vermutlich den Zorn des Prinzregenten über die geplatzte königliche Hochzeit zu spüren bekommen. Und über Princess Charlottes Flirt mit den deutschen Prinzen, die ihr die intrigante Schwester des Zaren vorgestellt hatte …
Dominic ging zum Empfangsraum hinab. Dort hielten sich weder der Zar noch die Großherzogin auf. Deshalb schwatzten die jungen Offiziere entspannt und schlossen wie üblich diverse Wetten ab. Major Zass erschien an der Tür eines Nebenraums. „Ah, Sir! Wie schön, Sie hier zu sehen! Seine Kaiserliche Majestät möchte sich von Ihnen verabschieden und Sie seiner Dankbarkeit versichern. Würden Sie mich begleiten?“
Nach einer höflichen Verbeugung folgte Dominic dem Major in den angrenzenden Raum.
Der Zar saß in einem wuchtigen Lehnstuhl vor dem Kamin, an der Seite seiner Schwester. Beim Anblick des Duke erhoben sich beide, ein außergewöhnliches Zeichen der Wertschätzung. Dominic blieb an der Tür stehen, um sich zu verneigen – erst vor Seiner Kaiserlichen Majestät, dann vor der Großherzogin.
„Für mich war es ein Privileg, England zu besuchen, Duke“, begann der Zar und winkte ihn zu sich, „das Land, das uns alle gerettet hat. Und der warmherzige Empfang, der mir hier bereitet wurde, hat mich tief bewegt. Dafür bin ich von Herzen dankbar. Auch Ihnen möchte ich für die hervorragende Betreuung danken, für die unschätzbare Hilfe, die ich wegen meiner mangelnden englischen Sprachkenntnisse beanspruchen musste. Erlauben Sie mir, meine Anerkennung auf russische Weise auszudrücken?“ Ehe Dominic antworten konnte, trat der Zar vor, umarmte ihn und küsste ihn auf beide Wangen.
Vor lauter Verlegenheit stand Dominic reglos da.
„Möge göttlicher Segen auf England herabregnen“, fuhr der Zar fort, „und auf Sie ebenfalls, Duke. Darum werde ich beten.“
Dominic verbeugte sich wieder. „Vielen Dank, Majestät“, murmelte er und wollte sich zurückziehen.
„Auch ich muss Ihnen danken, Duke“, sagte die Großherzogin und trat vor. Würde sie ihn ebenfalls umarmen? Durften vornehme Damen so etwas tun? Sie lächelte leutselig, und er glaubte eine gewisse Belustigung in ihren Augen zu lesen. Hatte sie seine Gedanken gelesen? Offensichtlich, denn sie reichte ihm nur ihre Hand, die er erleichtert und pflichtschuldig küsste.
Aber bevor er sich aufrichtete, drückte sie einen Kuss auf seine Stirn, und er schnappte verwirrt nach Luft.
„Das gehört nun einmal zu unseren Sitten“, erklärte sie, ohne mit der Wimper zu zucken. Doch er spürte, dass sie sich über ihn lustig machte.
Nun war er anscheinend entlassen. Nach einer weiteren Verbeugung folgte er Major Zass aus dem Zimmer. Als die Tür hinter ihm ins Schloss fiel, dachte er an sein Gespräch mit Kapitän Wood an Bord der Impregnable. So sicher war er gewesen, die Russen würden nur ihre Landsmänner küssen. Welch ein peinlicher Irrtum … Wenn sich diese Episode herumsprach, würde er im Erdboden versinken.
Nach der Audienz bei Seiner Kaiserlichen Majestät trug Dominic ein ziemlich grimmiges Gesicht zur Schau. Alex konnte sich nicht vorstellen, was ihn ärgerte. War er beleidigt worden? Das fand sie unwahrscheinlich, denn der Zar verfügte über tadellose Manieren. Außerdem wirkte Major Zass völlig unbefangen.
Was immer geschehen sein mochte, es betraf nur
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