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Eine geheime Liebe - Roman

Titel: Eine geheime Liebe - Roman
Autoren: PeP eBooks
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die Aristokratie, zupften mit gepflegten Händen ihre Pizzicati, legten ihr Instrument in die Grube an der Schulter und ließen hochmütig und sanft den Bogen über die Saiten gleiten. Trompeten und Posaunen legten all ihre Wut hinein, wenn sie Luft ausstießen, und begleiteten die Harmonien mit unschöner Mimik. Wangen blähten sich auf und fielen wieder ein, das Gesicht lief vor Anstrengung rot an, der Genuss litt sichtlich. Zwischen diesen Gruppen mit ihrer unterschwelligen Spannung nahmen die Flöten, Oboen und Klarinetten mit ihren spitzen Klängen, diesen Stacheln im Klangmagma des Orchesters, eine Vermittlerrolle ein. Die Harfe verlangte nach der Zärtlichkeit langer, schmaler Hände und reklamierte behielt die stolzen Körper für sich. Sie stand an der Seite, außerhalb der Gruppe, und glänzte. Ein noch so winziger Ton, der auf diesen Saiten gespielt wurde, war majestätisch. Königlich.

    Solisten und Gruppen waren zwei unversöhnliche Elemente. Gnadenlos wurde unterschieden zwischen jemandem, der nur einen Schritt von der Solokarriere entfernt war, und jenen, denen es bestimmt war, auf immer und ewig in der großen Masse zu verschwinden. Es war ein Spiegel der gewöhnlichen Gesellschaft, in der Herren und Sklaven sich wechselseitig Lektionen in musikalischem Verhalten erteilten und Spitzenmusiker ihre Lieblingsschüler fanden. An diesem kultischen Ort, an dem sich die Klänge im hehren Gedanken an die Musik vereinigen sollten, gab es auch immer ein, zwei Personen, die den Ton angaben und auf Geld und Privilegien achteten. Beim geringsten Anzeichen von irdischen Bedürfnissen der Kollegen Musiker waren sie in der Lage, Dirigenten, Komponisten und preisgekrönte Solisten zu erpressen und Aufführungen für Schüler und Senioren infrage zu stellen. Um dem Beruf des Orchestermusikers seine höhere Weihe zu geben, blieb vor allem die Kleidung: der elegante pechschwarze Frack und die makellosen Hemden, die auf der ganzen Welt den Geistesadel ihrer Träger zur Schau stellten.
    Es konnte leicht passieren, dass sich Musiker ineinander verliebten. Man teilte jeden Moment des Lebens, im Orchestergraben und außerhalb. Die Liebe wurde zwischen zwei Konzerten geboren oder auf einer Tournee, und oft endete sie, wie sie begonnen hatte - inmitten der Gleichgültigkeit der anderen. Konzertsäle waren Kanzeln, von denen sich das Gebet der Masse erhob. Der Dirigent zelebrierte auf der Bühne, und die Musiker gestanden ihm, allein
oder in Gruppen, Vertrauen und Macht zu. Das war mehr oder weniger die Rolle der Musiker. Was wechselte, waren das Publikum, die Gewohnheiten, die Kleidung, die Uhrzeiten und die festlichen Empfänge, die jenen bereitet wurden, welche diesem von den Medien als eines der besten europäischen Orchester bezeichneten Klangkörper angehörten. Die Musiker, unbeirrbar in ihrer nahezu aristokratischen Haltung, die dieser ungewöhnliche Beruf verlangte, waren immer dieselben, wenn sie sich von einem Konzertsaal auf diesem Planeten zum nächsten begaben.
    Das Vorbereitungsritual begann etwa eine Stunde vor dem Konzert, und noch die letzten Minuten vor Konzertbeginn waren dem Einspielen vorbehalten. Es war ein unglaubliches Getöse, wenn man es in einem engen Raum hörte. Für jemanden, der sich bei den Künstlerzimmern oder bei den Instrumentenkästen einen Winkel suchte, war es Anlass zu einsamen Höhenflügen. Beim Stimmen auf der Bühne dann wurde mit dem Kammerton jedes Heldentum ausgelöscht, es war der Ausdruck für den Zusammenklang eines Orchesters, dieses Sinnbild von Anarchie, Eitelkeit und Demokratie. Das Stimmen war notwendig. Man musste sich aufeinander einlassen, bevor man sich dem Publikum zum Fraß vorwarf. Ein Konzert macht das Orchester sichtbar, das sonst anonym und unsichtbar zu Füßen der Bühne im Graben verschwindet. Wenn der Dirigent, berauscht vom Erfolg, zum letzten Mal hinter die Bühne tritt, entfernen sich die Musiker langsam von ihren Instrumenten und geben die unnatürliche Pose auf. Das Verstummen der Instrumente
und das Gescharre des Publikums, das aus dem Saal strömt, berechtigen zu Lässigkeit und dem Gedanken ans Abendessen. Niemand wusste von uns beiden. In einer solchen Heimlichkeit werden Dinge wie essen, spazieren gehen, ein Museum besuchen, eine Kathedrale besichtigen, eng umschlungen einschlafen zu etwas Besonderem. Seine Frau rief ihn auch nachts an. Er antwortete freundlich, erkundigte sich nach den Kindern, führte Gespräche von karger Alltäglichkeit. Wenn
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