Eine Liebe in Paris
Bügel mit den Oberteilen. »… passt das ärmellose Blüschen perfekt.«
Nun war ich doch etwas verletzt. Ich selber durfte mich im Stillen oder nicht so Stillen über meine breiten Hüften beklagen, aber ich mochte es nicht, wenn andere das taten.
»Das sieht aber nicht cool aus«, wandte ich ein.
»Nicht?«, fragte sie mich erstaunt.
»Nein.«
»Es geht doch darum,
gut
auszusehen und nicht cool, oder? Ich verstehe euch jungen Dinger nicht.« Dann fügte sie mit einem Lächeln hinzu: »Also, die Hose muss sein, und oben herum machst du, was du willst, einverstanden? Aber beeil dich, ich will in einer halben Stunde losfahren.«
Damit zwinkerte Marie mir noch einmal zu und verließ das Zimmer, in dem ein Hauch ihres seltsamen herben Parfums zurückblieb. Eigentlich roch es mehr wie ein Aftershave für Männer, dachte ich noch und schlüpfte in die Hose, die sie für mich ausgewählt hatte. Sie erinnerte tatsächlich an Marlene Dietrich, was nicht ungut war, denn Marlene war ja fast so cool wie Ava Gardner.
Wo waren denn nun meine
Daisy Duck
-Schlangenlederschuhe? Ich wühlte erst in dem schmalen Kleiderschrank und sah mich dann suchend in meinem Zimmer um. Ah, da, unter dem Schreibtisch lagen sie! Statt eines Gürtels zog ich einen bunten Schal durch die Hosenschlaufen und entschied mich für ein enges, ärmelloses T-Shirt, das einen tiefen runden Ausschnitt hatte. Klar ging es darum, gut auszusehen, aber eben auch cool, dachte ich, als ich mir noch die Haare so lange verwuschelte, bis sie wie frisch aus dem Bett gestiegen wirkten, und meine hellgrünen Augen mit gekonnten schwarzen Lidstrichen betonte. Wer nicht cool aussah, sah auch nicht gut aus.
»Eine hervorragende Wahl, Ava. Lass uns gehen«, sagte Marie, als ich die Treppe herunterkam. Henri und Camille lehnten in der Tür zum Salon, die offen stand.
»Viel Spaß, ihr beiden«, sagte Camille freundlich und schmiegte sich an ihren Vater.
»Macht keine Dummheiten«, fügte Henri hinzu und küsste Marie auf die Wange, ehe er Camille den Arm um die Schulter legte. »Du siehst wunderschön aus,
mon Étoile
.«
Sie lächelte geschmeichelt und schlüpfte in ihren Trench. Was für eine tolle Familie, wie nahe sie einander stehen, dachte ich noch. Jeder liebt den anderen, so wie er ist. Dann waren wir schon zur Tür hinaus. Camille und Henri standen am Fenster des hell erleuchteten Salons und winkten in die Dunkelheit. Der Septemberabend war kühl und feucht, aufmeinen nackten Armen bildete sich eine Gänsehaut, und als das elektrische Tor sich lautlos zur Straße hin öffnete, gingen gerade die Lichter der Pariser Nacht an und funkelten mit den Sternen an einem wolkenlosen und dunkelblauen Himmel um die Wette.
»Sag, wenn du einen Parkplatz siehst. Ich schaue auf der einen Seite, du auf der anderen«, sagte Marie und ich gehorchte. Wie aufregend die Straßen von
Saint-Germain
an einem Freitagabend wirkten! Die Räder schlugen hart auf das Kopfsteinpflaster der schmalen Straßen, überall liefen Menschen, um in den unzähligen Cafés und Restaurants zu Abend zu essen, und ein Blick in die hell erleuchteten Schaufenster, die an uns vorbeizogen, sagte mir, dass dies neben all den sehr teuer aussehenden Boutiquen wohl das Viertel für Galerien und Antiquitätengeschäfte war.
»Da ist einer!«, rief ich. Was für ein Glück: In der kleinen
Rue Jacob
stieß gerade ein verbeulter Fiat nach hinten weg aus der Parklücke und Marie Lefebvre zog ihren Mini mit quietschenden Reifen hinein. Wir beide lachten, und mir fiel auf, dass ich mit meiner eigenen Mutter bisher nie abends ausgegangen war, obwohl wir beide uns eigentlich gut verstanden und sie auch so was wie eine Freundin für mich war.
Marie zog im Rückspiegel noch ihren tiefroten Lippenstift nach, und ich verwuschelte meine Haare noch mehr, bis ich endgültig so aussah wie rückwärts durch die Hecke gezerrt.
»Lass uns gehen. Die
Rue des Beaux Arts
ist nicht weit weg von hier und es ist ein schöner Spaziergang«, sagte Marie und hakte sich bei mir unter.
Wir sahen Wolffs Galerie schon von Weitem, denn die hohen Fenster im Erdgeschoss waren hell erleuchtet, und es waren schon so viele Leute da, dass sie bis auf die Straße standen, Champagner tranken, rauchten, redeten und lachten. Beim Näherkommen fiel mir auf, wie gut sie alle aussahen und wie selbstsicher sie wirkten, und einen grässlichen Augenblick lang wollte ich einfach kehrtmachen und lieber mit Camille und Henri den Abend vor dem Fernseher
Weitere Kostenlose Bücher