Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Einsame Klasse.

Einsame Klasse.

Titel: Einsame Klasse. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Chandler , Robert B. Parker
Vom Netzwerk:
herum das Fleisch etwas aufgequollen und verfärbt war. Ich konnte das Blut nicht sehen, aber ich konnte es riechen.
    Wahrscheinlich auf dem Boden hinter ihr zu einem dunklen Fleck geronnen. Ihr Mund stand offen, und ihre starr gewordenen Lippen krümmte das schroffe, klaffende Lächeln, das ich schon zu oft gesehen hatte.
    Ich spürte, wie sich mein Magen zusammenzog. Durch den Geruch des getrockneten Blutes konnte ich den noch immer in der Luft hängenden Korditgeruch ausmachen. Ich schloss die Bürotür hinter mir, trat näher an den Tisch heran und blickte hinunter in das tote Frauengesicht. Ich hatte es schon mal gesehen, aber ich brauchte einen Moment, um herauszufinden, wo. Es war die Blondine, die sich in Reno’s Bar mit Victor gestritten hatte. Ich berührte ihre Wange. Die Haut war kalt. Ich bewegte einen ihrer Arme. Er war steif. Auf dem Boden hinter ihrem Stuhl war eine Pfütze aus getrocknetem Blut.
    Ich wusste, was ich letztendlich tun musste, aber zuerst ging ich zum Aktenschrank und öffnete ihn. Die Bilder waren verschwunden. Ich überprüfte den Rest des Büros. Sonst schien nichts zu fehlen. Noch einmal sah ich in das tote Gesicht der Blondine, holte tief Luft und rief die Bullen an.
    Zuerst erreichten zwei Hilfssheriffs aus dem Sheriffbüro in West Hollywood den Tatort. Sie trugen den üblichen argwöhnischen Gesichtsausdruck hinter den üblichen Sonnenbrillen, als sie hereinkamen. Einer von ihnen kniete sich hin, um den Körper zu untersuchen, der andere redete mit mir.
    «Irgendetwas berührt?» fragte er. Seine Stimme war hart.
    «Das Telefon», sagte ich.
    «Warum?» Es klang so, als sollte ich besser einen guten Grund dafür haben.
    «Um Sie anzurufen.»
    Er nickte. Der andere stand auf. «Ist schon ’ne Weile tot», sagte er.
    Der erste grunzte. «Was hatten Sie hier zu suchen?» fragte er mich.
    «Ich bin Privatdetektiv», erklärte ich. «Ich bin hergekommen, um Larry Victor zu treffen.»
    «Ein Detektiv? Was sagst du dazu, Harry. Haben wir Glück? Jemand kreischt um Hilfe, und am anderen Ende ist ein Detektiv.»
    «Prima», sagte Harry.
    «Warum wollten Sie mit Victor sprechen?» fragte der erste Bulle.
    «Wegen des Falles, an dem ich arbeite.»
    «Können Sie sich ausweisen?»
    «Klar», sagte ich. Ich holte die Brieftasche heraus und zeigte ihm meinen Ausweis. Die Adresse auf der Lizenz war noch immer meine alte in L. A.
    «Was ist das für ein Fall?» fragte Harry.
    Ich schüttelte den Kopf. «Keine Chance. Ich werde das alles euren Vorgesetzten erzählen müssen.
    Warum alles zweimal durchgehen?»
    «Du wirst es so oft erzählen, wie wir es für richtig halten, Schnüffler», sagte der erste Bulle. «An welchem Fall arbeitest du?»
    «Im Augenblick deutet nichts darauf hin, dass mein Fall irgendwas mit eurem zu tun hat. Wenn es so wäre, müsste ich’s euch erzählen. Aber im Moment tue ich das nicht.»
    «Pass auf, Klugscheißer, nicht du entscheidest, was mit unserem Fall zusammenhängt. Sondern wir.»
    «Wir?» sagte ich. «Ihr Jungs seid Babysitter. Sobald sich das hier als Mord herausstellt, seid ihr wieder draußen und protokolliert Verkehrsverstöße an Parkuhren.»
    «Alles klar, Großmaul», sagte Harry, «Hände auf den Rücken.»
    In diesem Moment betrat Bernie Ohls den Raum; er rauchte eine seiner Spielzeugzigarren und wirkte wie ein Mann, der gut gefrühstückt hatte und über eine Menge Erfahrung verfügte. Er war Hauptermittler des Bezirksstaatsanwalts.
    «Ärgern Sie wieder einmal die Streifenwagenfahrer, Marlowe?» fragte er.
    Die beiden Hilfssheriffs standen zwar nicht direkt stramm, nahmen aber sichtlich Haltung an. Harry ließ die geöffneten Handschellen an seinem Gürtel hängen.
    «Ohls», sagte Bernie. «Büro des Staatsanwalts.»
    «Ja, Sir, Lieutenant, das wissen wir», erwiderte der erste Bulle.
    Bernie lächelte nichtssagend und nickte in Richtung der Tür. «Wir übernehmen das jetzt», erklärte er, und die beiden Hilfssheriffs verließen das Büro. Ohls ging rüber zum Schreibtisch und sah hinunter auf die tote Frau. Er war ein mittelgroßer Bursche mit blondem Haar und dichten weißen Augenbrauen. Seine Zähne waren regelmäßig und weiß, und seine hellblauen Augen wirkten sehr ruhig. Er sprach mit angenehmer, bullenfreundlicher Stimme, die ständig um ein Haar zu beiläufig klang, um Vertrauen zu erwecken. Zwei andere Beamte begleiteten ihn, beide in Zivil. Sie schenkten mir überhaupt keine Aufmerksamkeit.
    «Kurze Distanz», stellte Ohls fest,

Weitere Kostenlose Bücher