Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eiseskälte: Island-Krimi (German Edition)

Eiseskälte: Island-Krimi (German Edition)

Titel: Eiseskälte: Island-Krimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indriðason
Vom Netzwerk:
Gespenstergeschichten Auftrieb gegeben.«
    »Ja, das hat sicher etwas damit zu tun«, sagte Erlendur, der nur wenig auf Zufälle oder Aberglauben gab.
    »Du glaubst an gar nichts, nicht wahr?«, sagte Gréta und berührte das silberne Kreuz, das sie um den Hals trug.
    »An sehr wenig«, sagte Erlendur.
    Das Geschrei der Kinder hatte nachgelassen. Erlendur konnte durch eine Tür in die Schwimmhalle blicken, wo eine junge Frau am Beckenrand kniete und den Kindern das Rückenschwimmen beizubringen versuchte.
    »In früheren Zeiten haben nicht alle schwimmen gelernt«, sagte Gréta, nachdem Erlendur den Kindern eine Weile zugeschaut hatte. »Ich erinnere mich, dass Papa gesagt hat, dass Jakob nicht schwimmen konnte.«
    »Hat er sonst noch etwas über Jakob erzählt?«
    »Ich weiß noch, dass er gesagt hat, Jakob sei einmal in genau die Situation geraten, vor der er sich immer am meisten fürchtete. Dann hat mein Vater diese Zeilen aus den Passionspsalmen von Hallgrímur Pétursson zitiert.«
    »Welche Zeilen?«
    »Ach, wie war das noch?« Gréta musste eine Weile überlegen. »Das, was am meisten er mied, das Schicksal ihm dann doch beschied.«
    »Und das hat er auf Jakob bezogen?«
    »Ja. Der Mann litt an Klaustrophobie. Ich weiß gar nicht, ob man dieses Wort damals überhaupt schon gekannt hat, aber so wie mein Vater das beschrieb, fällt mir kein anderes Wort ein. Es durfte nicht einmal eine Tür zugemacht werden, wenn er irgendwo war. Mein Vater hatte keine Ahnung, weshalb er so war, aber seine größte Angst im Leben bestand darin, eingeschlossen zu werden. Zu ersticken oder was weiß ich.«
    »Was meinst du damit, dass er einmal in diese Situation gekommen ist?«
    »Ja, zumindest ein Mal. Er und Papa haben schon in jungen Jahren zusammengearbeitet. Das war in Reykjavík. Sie hatten für ein paar Monate Arbeit im Schlachthof. Da haben sie sich kennengelernt. Das war damals während der großen Krise. Jakob arbeitete in der Räucherkammer.«
    »Wo Fleisch geräuchert wurde?«
    »Ja. Und einmal wurde er in der Räucherkammer eingeschlossen.«
    »Tatsächlich?«
    Gréta nickte.
    »Papa sagte mir, dass irgendeiner von den anderen Mitarbeitern ihm einen Streich spielen wollte, jemand, der nicht wusste, wie er war.«
    »Wahrscheinlich hat niemand das gewusst.«
    »Nein, sicher nicht. Da drinnen in der Kammer ist er vollkommen außer sich geraten, sagte Papa. Als sie die Tür endlich wieder aufgeschlossen haben, hat er sich auf den Nächstbesten gestürzt und wollte ihn umbringen. Sie mussten ihn zu mehreren überwältigen und festhalten. Er hatte ganz blutige Hände, weil er wie verrückt an der Tür gekratzt hatte. Papa sagte, sie wäre aus Stahl gewesen.«
    »Ein ziemlich übler Streich.«
    »Mein Vater hatte so etwas noch nie erlebt, und Jakob hat nie darüber sprechen wollen. Papa hat irgendwann versucht, ihn zu fragen, was eigentlich mit ihm los sei, aber er konnte nichts aus ihm herausbekommen.«
    »Wusste dein Vater etwas über das Verschwinden von Matthildur?«, fragte Erlendur. »Hat er darüber geredet?«
    »Nein, darüber wusste er nichts. Das war einfach ein schrecklicher Unfall.«
    »Weißt du, wie Jakob darauf reagiert hat?«
    »Er war wohl vollkommen am Boden zerstört«, erklärte Gréta. »Natürlich fand da eine Suche statt, man suchte sowohl nach den britischen Soldaten als auch nach ihr. Jakob hat selbst daran teilgenommen, auch mein Vater und alle, die dazu imstande waren. Mein Vater hat ihn nach diesem tragischen Ereignis sehr häufig besucht. Er hatte das Gefühl, dass Jakob ganz verändert war. Er war schrecklich reizbar und aufbrausend, und der Umgang mit ihm war schwierig. Er war irgendwie ein anderer Mensch geworden.«
    »Man hat mir gesagt, dass man Jakob nicht über den Weg trauen konnte«, sagte Erlendur, der sich an Ezras Worte erinnerte.
    »Davon weiß ich nichts. Mein Vater hat nie so über ihn gesprochen.«
    »Dieser Vorfall hat ihn natürlich sehr mitgenommen«, sagte Erlendur. »Kennst du übrigens eine Frau namens Ninna?«, fragte er unvermittelt. »Falls sie noch lebt, müsste sie ziemlich alt sein. Ninna ist übrigens ihr Taufname. Ich finde sie nicht im Telefonbuch.«
    »Ich kenne eine Ninna, die lebt hier im Altersheim«, sagte Gréta. »Da hab ich mal gearbeitet. Ich weiß nicht, ob es die Frau ist, nach der du fragst, auf jeden Fall ist sie steinalt.«

Siebzehn
    Es schneite immer noch, als Erlendur vor dem Seniorenheim von Fáskrúðsfjörður hielt. Er blieb noch im Auto

Weitere Kostenlose Bücher