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Elben Drachen Schatten

Elben Drachen Schatten

Titel: Elben Drachen Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Bekker
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Er schaute Bolandor einen langen Moment an, bevor er mit ruhiger, sanfter Stimme fortfuhr: »Wenn Ihr uns verlasst, Fürst Bolandor, dann fahrt in Freundschaft und Frieden. Ich will mich Eurer erinnern als den treuen Gefährten, der Ihr immer wart, und Euch meinen Segen geben für die gefahrvolle Reise, die Ihr bereits seid fortzusetzen, um unsere Ahnen und unsere Götter zu ehren.«
    Es war eindeutig ein Friedensangebot, das Keandir ihm machte, doch Bolandor nahm die ihm verbal gereichte Hand nicht an, sondern antwortete nur mit einer angedeuteten Verneigung und einem gemurmelten »Wie Ihr wollt, mein König«.
    Sein Blick glitt von Keandir zu Brass Elimbor, dessen Augen glanzlos geworden waren. Auch die Haut in seinem Gesicht schien sich verändert zu haben, sie wirkte nicht mehr ledern, sondern pergamentartig, und das Faltenmuster war noch viel engmaschiger geworden. Der körperliche Verfall des uralten Schamanen war unverkennbar, und Fürst Bolandor fragte sich, ob der Preis für den Beweis, den er verlangt hatte, vielleicht zu hoch gewesen war.
    Einer der anderen Schamanen kümmerte sich um Brass Elimbor. »Kann ich Euch helfen, Brass?«
    »Nein.«
    »Nathranwen die Heilerin soll kommen!«
    »Das ist nicht nötig. Lasst nur«, wehrte Brass Elimbor ab. Sein Gesicht war totenbleich geworden.

    Branagorn stand unter den vielen Zuschauern und lauschte dem Kronrat. Er war kein Mitglied dieses Rats und hatte daher nicht das Recht, dort seine Stimme zu erheben; dafür hätte er bis ganz zum Schluss warten müssen. Dennoch ― während er die Reden und Gegenreden verfolgte, fragte sich der junge Elbenkrieger die ganze Zeit über, ob er sich nicht doch zu Wort melden sollte. Schließlich war er dabei gewesen, als die Dunkelheit in seinen König gefahren war. Er hatte gesehen, wie diese Dunkelheit Keandir zu einer Marionette des Bösen gemacht hatte, und Branagorn fragte sich seitdem, wie stark diese Kräfte in der Seele des Königs der Elben wirkten. War es denkbar, einen Neubeginn zu wagen, der unter diesen düsteren Vorzeichen stand?
    Gleichzeitig aber registrierte Branagorn auch die besondere Kraft, die Keandir seit den Ereignissen auf Naranduin erfüllte. Eine Kraft, die ihn ein ungeahntes Charisma entfalten ließ, das selbst ältere Elben aus der Generation der Athranor-Geborenen mitriss. Der König hatte eine klare Vision dessen, was kommen würde. In seinem Kopf schien sich das neue, selbst bestimmte Schicksal, von dem er gesprochen hatte, längst geformt zu haben.
    Branagorns Blick glitt über die unzähligen Köpfe der Zuhörerschaft in Richtung des Meers. Das königliche Flaggschiff »Tharnawn« war das größte Schiff der Elbenflotte und aus diesem Grund auch noch nicht mit Hilfe eines Seilzugs an den Strand gezogen worden; es ankerte noch in der Bucht. Cherenwen war an Bord geblieben, als eine von wenigen. Lediglich eine absolut unverzichtbare Wachmannschaft von wenigen Seeleuten befand sich derzeit auf dem Schiff, und die Meisten von ihnen brannten wohl darauf, endlich das Zwischenland Ethranor betreten zu dürfen. Natürlich gab es auch ein paar vom Lebensüberdruss Gezeichnete, denen es gleichgültig geworden war, was die Zukunft brachte oder in welchem Land das Volk der Elben siedeln würde. Doch selbst ein paar dieser Unglücklichen hatten schließlich doch noch eine der Barkassen bestiegen, um an Land gebracht zu werden, und der frische Geruch dieses Landes, die Verheißung einer erfüllbaren Hoffnung und einer strahlenden Zukunft, die die glorreiche Vergangenheit vielleicht sogar noch in deren Schatten zu stellen vermochte, schien sich sogar auf diese Elben positiv auszuwirken; zumindest ein Teil ihrer Lebensgeister regte sich offenbar wieder an Land.
    Für Branagorns geliebte Cherenwen galt dies leider nicht. Sie stand mit leerem Blick an der Reling der »Tharnawn«; er konnte sie zwar nicht sehen, spürte sie aber mit seinen feinen Elbensinnen. Dass der Name des Flaggschiffs »Hoffnung« bedeutete, schien Branagorn wie Hohn, war seine Geliebte doch für ihn zu einem Symbol der Hoffnungslosigkeit geworden.
    »Ihr solltet Euch an den Gedanken gewöhnen, dass Ihr Abschied nehmen müsst«, sagte neben ihm eine vertraute Stimme.
    Branagorn drehte sich um und blickte in das fein geschnittene Gesicht von Nathranwen, der Heilerin. Sie trug ihr Haar offen über die Schultern. Und der Wind schmiegte ihr das schneeweiße Gewand an die grazile Gestalt.
    »Abschied?«, fragte Branagorn, obwohl er sehr genau

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