Elenium-Triologie
geschnitzte Tür. Dahinter liegt ein Bursche von etwa zwanzig mit einer älteren Frau im Bett.«
»Haben sie dich gesehen?«
»Nein. Dazu waren sie zu beschäftigt.«
»Oh. Der Konsul schläft allein – an diesem Ende des Korridors.«
»Meinst du, die Frau am anderen Ende könnte seine Gemahlin sein?«
»Das ist ihre Sache, nicht wahr?«
Gemeinsam schlichen sie auf Zehenspitzen zur vergoldeten Tür. Sperber öffnete sie, und sie gingen beide leise zum Bett. Sperber streckte die Hand nach der Schulter des Schlafenden aus.
»Eure Exzellenz«, sagte er leise und schüttelte den Mann.
Der Konsul riß die Augen auf, die sich verschleierten, als Kurik ihm den Dolchgriff hinters Ohr schlug. Sie wickelten den Bewußtlosen in eine dunkle Decke, und Kurik warf sich die schlaffe Gestalt unsanft über die Schulter. »Ist das alles, was wir von hier mitnehmen?« fragte er.
»Ja. Gehen wir.«
Sie schlichen die Treppe hinunter und zurück zur Küche. Sorgfältig schloß Sperber die Tür, die zum Haupttrakt führte. »Warte hier«, sagte er leise zu Kurik. »Ich sehe mich noch schnell im Garten um. Wenn alles klar ist, pfeife ich.« Er huschte hinaus in den dunklen Garten und schlich wachsam von Baum zu Baum.
Dabei wurde ihm plötzlich bewußt, wie sehr er das genoß. Er hatte nicht mehr solchen Spaß gehabt, seit er und Kalten Kinder gewesen waren und sie sich regelmäßig mitten in der Nacht aus seines Vaters Haus gestohlen hatten, um irgend etwas Harmloses anzustellen.
Er versuchte, nicht sehr geschickt, das Pfeifen einer Nachtigall nachzuahmen.
Einen Moment später flüsterte Kurik heiser durch die Küchentür: »Bist du es?«
Er war versucht, »nein« zu antworten, doch dann verkniff er es sich.
Es war gar nicht so leicht, den reglosen Konsul den Feigenbaum hochzubekommen, aber mit vereinten Kräften schafften sie es schließlich. Dann überquerten sie ihren Steg und zogen die Balken zurück aufs Dach.
»Sie ist noch dort!« flüsterte Kurik.
»Wer?«
»Die nackte Frau.«
»Es ist ja schließlich ihr Dach.«
Sie zerrten die Balken zur anderen Dachseite und ließen sie vorsichtig hinunter. Dann kletterte Sperber zu Boden und fing den Konsul auf, als Kurik ihn herunterließ. Einen Augenblick später war auch Kurik unten. Gemeinsam stapelten sie die Balken wieder auf.
Sperber rieb zufrieden die Hände. »Alle Spuren beseitigt.«
Kurik hob den Bewußtlosen wieder über die Schulter. »Wird seine Frau ihn nicht vermissen?«
»Nicht sehr, würde ich sagen – wenn sie die Frau in dem Schlafgemach am anderen Ende des Korridors war. Wie wär's, wenn wir ins Kloster zurückkehrten?«
Sie wechselten sich beim Tragen ab und erreichten den Stadtrand nach etwa einer halben Stunde, nachdem sie unterwegs mehreren Nachtwächtern ausgewichen waren. Der über Sperbers Schulter liegende Konsul begann zu stöhnen und sich zu regen.
Kurik schlug ihm noch einmal den Dolchgriff auf den Kopf.
Als sie wieder im Studiergemach des Abtes waren, ließ Kurik den Bewußtlosen unsanft auf den Boden fallen. Er und Sperber blickten einander kurz an; dann brachen sie beide zugleich in schallendes Gelächter aus.
»Was ist so komisch?« erkundigte sich der Abt mit scharfer Stimme.
»Ihr hättet dabei sein sollen, Euer Gnaden«, keuchte Kurik. »Soviel Spaß hatte ich seit Jahren nicht mehr.« Wieder lachte er. »Die Brücke war das Beste, glaube ich.«
»Nein, ich finde, die nackte Dame«, widersprach Sperber.
»Habt Ihr beiden getrunken?« fragte der Abt argwöhnisch.
»Keinen Tropfen, ehrwürdiger Abt«, versicherte ihm Sperber. »Es wäre aber keine schlechte Idee, falls Ihr etwas zur Hand habt. Wo ist Sephrenia?«
»Ich konnte sie überreden, sich mit dem Kind schlafen zu legen.« Der Abt machte eine Pause. »Welche nackte Dame?« Seine Augen leuchteten vor Neugier.
»Auf einem Dach lag eine Frau, die dieses Fruchtbarkeitsritual vollzog«, erklärte ihm Sperber immer noch lachend. »Kurik war nur schwer davon abzuhalten, ihr einen Besuch abzustatten.«
»War sie hübsch?« Der Abt grinste Kurik an.
»Das weiß ich nicht, ehrwürdiger Abt. Ich habe mir nicht ihr Gesicht angesehen.«
»Herr Abt«, sagte Sperber ein wenig ernster, obwohl er sich immer noch jungenhaft ausgelassen fühlte. »Wir werden Elius befragen, sobald er aufwacht. Bitte erschreckt nicht über so einiges, was wir zu ihm sagen werden.«
»Ich verstehe vollkommen, Sperber«, versicherte ihm der Abt.
»Gut.« Sperber wandte sich an Kurik. »Komm, wecken
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