Elfenkrieger (Mithgar 02)
vor dem Drachen bewahren. Die Frau mit den Dolchen – ich habe gehört, sie ist eine Gothonierin. Ja, aber die andere, die Kriegsmaid mit den Schlitzaugen, aus welchem Land kommt die wohl, was meint ihr? Die Elfe, das ist jedenfalls eine Dylvana, ganz sicher. Ich würde sagen, dass sie eine mächtige Zauberin ist. Und sie wollen alle zum Drachenhorst, was glaubt ihr wohl, warum? Habt ihr die ganzen Seile und das Zeug gesehen, das sie den Packtieren aufgebürdet haben? Um sich den Schatz zu holen, was sonst? Der Barde singt ihn in den Schlaf, der alte Mann bannt ihn mit dem bösen Blick, die Dylvana verzaubert den Drachen, die Kriegsmaid hackt ihn mit ihren magischen Schwertern in Stücke, und die anderen drei schleppen das Gold und die Juwelen. Aber welche Pläne sie auch haben, sie werden es nicht schaffen: Vieh oder nicht, Magie oder nicht, Schwerter oder nicht, der Drache Raudhrskal wird sie einfach mit seinem Feueratem verbrennen, und das war es dann mit ihren Träumen von Ruhm und Reichtum.«
So in etwa verliefen die gemurmelten Unterhaltungen, als sieben Dummköpfe auf sieben jordischen Pferden mit drei beladenen Packtieren und vier Stück Vieh die Stadt verließen.
»Alos«, sagte Arin, »Ihr hättet nicht mitkommen müssen, sondern hättet stattdessen in Haven bleiben können.«
Alos schauderte, als er auf den weißen Gipfel vor ihnen starrte, leierte aber monoton: »Anders als bisher werde ich meine Schiffskameraden in Zeiten der Not nicht im Stich lassen.«
»Hm«, sann Ferai. »Das habt Ihr schon einmal gesagt… Tatsächlich sogar mehrfach, Alos. Erzählt doch, hat es schon einmal eine Zeit der Not gegeben, in der Ihr Eure Schiffskameraden im Stich gelassen habt?«
Der alte Mann sah zuerst sie an und dann Arin. Die Dylvana lächelte. Alos senkte beschämt den Kopf. »Es war im Borealmeer«, murmelte er.
»Bitte?«, sagte Ferai. »Ich habe Euch nicht verstanden.«
Alos holte tief Luft. »Es war im Borealmeer«, wiederholte er.
»Was war im Borealmeer?«
Wieder sah Alos Arin an, und der Blick seines einen Auges war jetzt flehentlich, denn bislang hatte er noch keinem etwas von seiner ehemaligen Feigheit erzählt.
Arin lenkte ihr Pferd neben seines. »Ihr müsst nicht davon sprechen, wenn es Euch zu sehr schmerzt. Andererseits würde ich meinen, dass es eine Bürde ist, die Euch niederdrückt, und Bürden werden leichter, wenn man sie teilt.«
Dem alten Mann kamen die Tränen, als er von Neuem begann. »Es war im Borealmeer. Der Schwarzmagier Durlok und seine Trolle haben mein Schiff geentert, die Solstrâle, und alle gefangen genommen… alle außer mir. Ich habe mich in der Bilge versteckt. Durlok hat das Schiff versenkt.«
»Ah«, sagte Ferai, »jetzt fällt mir wieder ein, dass Ihr in Ordrunes Verlies etwas in der Art gesagt habt.«
»Ihr habt Euch versteckt und deshalb überlebt«, ergänzte Aiko.
»Ich kann es nicht ändern«, sagte Alos, dessen Kinn zitterte. »So bin ich nun mal.«
Aiko sah ihn weiterhin aus ihren dunklen Augen an.
Alos konnte ihrem Blick nicht begegnen. »Ihr habt selbst gesagt, die erste Regel des Lebens ist die, zu leben. Ja, ich habe meine Schiffskameraden im Stich gelassen, aber wenigstens bin ich noch am Leben.«
Aiko zuckte kaum merklich die Achseln. »Ist das auch ein lebenswertes Leben?«
Arin sah Aiko stirnrunzelnd an und sagte dann zu Alos: »Aber diesmal, mein Freund, seid Ihr anders als bisher in Zeiten der Not bei uns, Euren Schiffskameraden.«
Alos schaute nach Süden zum Drachenhorst, der im Licht der Morgendämmerung vor ihnen aufragte, und atmete keuchend ein und aus, bevor er nickte.
Das Vieh zu treiben, war eine mühselige Angelegenheit, denn die stoischen Tiere trotteten nur langsam und träge über das Gras am Rande der weiten Prärie, die sich nach Osten ausdehnte, so weit das Auge reichte, während im Westen endlos die Wellen über den Tiefen des Borealmeers wogten. Die sieben Gefährten ritten nach Süden, den gut vierzig Meilen entfernten Flanken des Drachenhorsts entgegen, und in dem von ihnen eingeschlagenen Tempo würden sie beinah drei volle Tage brauchen, um die entfernten Hänge zu erreichen.
Sie zogen den ganzen Tag dahin. Alos trank die meiste Zeit aus einer der Lederflaschen mit Branntwein, die er in seine Satteltaschen gepackt hatte. Die Sonne kletterte immer höher und sank dann langsam tiefer, brachte aber durchaus schon spürbare Wärme, obwohl der Wind noch immer kühl vom offenen Borealmeer hereinwehte.
Ab und zu
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