Elfenzeit 2: Königin des Schattenlandes - Thurner, M: Elfenzeit 2: Königin des Schattenlandes
seine Kollegin verärgert und schob die Kamera beiseite. »Viermal als Beste Hauptdarstellerin, zweimal als Beste Nebendarstellerin. Den Oscar hat sie 1998 für ihre kurze Nebenrolle in Shakespeare in Love erhalten ...«
Robert brach ab, blickte von Nadja zu Dame Judi Dench und wieder zurück. Beide Damen saßen da, rührten in den Teetassen und starrten ihn an.
Ich darf jetzt auf gar keinen Fall rot werden, unter gar keinen Umständen
...
»Ich finde es immer wieder interessant«, murmelte Nadja, »wie schnell du deine Hautfarbe wechseln kannst.«
»Entzückend, in der Tat.« Judi Dench nahm einen Schluck vom Tee und stellte die Schale auf den Glastisch zurück. Sie seufzte. »Ich wollte, ich hätte Ihre Begabung.« Sie zwinkerte ihm zu, lächelte und winkte ihn einen Schritt näher. »Ich danke Ihnen, Robert. Ihr Interesse an meiner Person macht mich augenblicklich um zehn bis zwanzig Jahre jünger. Selbstverständlich reicht das bei Weitem nicht aus, um wieder jung und knackig zu werden. Dennoch ist es ein angenehmes Gefühl, von einem gut aussehenden Mann wie Ihnen verehrt zu werden.«
»Grmblfjxt«, hauchte Robert. Seine Zunge versagte ihm den Dienst, ein dichter Schweißfilm bildete sich auf seiner Stirn.
»Hätten Sie sonst noch eine Frage an mich?« Dame Judi Dench überging seine ... Indisposition mit einer Nonchalance, die nur den wenigsten Menschen zu eigen war.
»Neinnein«, antwortete er stockend, »Nadja kann das viel besser als ich. Sie ist die Chefin.«
Judi Dench nickte und wandte sich wieder der Reporterin zu. Robert hatte Mühe, die Kamera an sein Auge zu heben. Tausendfach geübte Handgriffe wollten nicht mehr gelingen. Er benahm sich wie ein Anfänger und benötigte fast die gesamte Dauer des Interviews, um endlich Rhythmus und innere Ruhe wiederzufinden.
»Das war ein klasse Auftritt von dir, du Holzkopf!«, schimpfte Nadja. Sie zog ihn den Gang entlang, der sie zum Aufzug des Hotels und damit hinab zur Rezeption bringen würde. »Beinahe hättest du alles vermasselt. Hornochse! Denkst du denn niemals nach, bevor du etwas sagst? Andere Schauspielerinnen hätten dich für deine Unhöflichkeit vor die Tür setzen lassen, und zwar mit dem Kopf voran.«
»Sie ist so ... so ...«
»Ja. Sie ist toll. Ganz richtig! Nur dieser Tatsache hast du es zu verdanken, dass ich dich nicht zu Boden schicke. Hätte sie sich von deiner ... Aufmerksamkeit nicht geschmeichelt gefühlt, wäre mir niemals ein derart tolles Interview gelungen.«
»Du bist mir also nicht böse?«
»Selbstverständlich bin ich dir böse.« Nadja gab sich grimmig – und lachte ihn gleich darauf an. »Du hättest dein Gesicht sehen sollen. Oder, noch besser: fotografieren!«
»Mach dich nur lustig über mich.«
Sie hängte sich bei ihm ein und drückte einen abgenutzten Messingknopf, der den Lift herbeiholen würde. »Ganz im Ernst, alter Mann: Mach so etwas nie wieder!Unterbrich mich nicht, während ich ein Interview führe. Das kann ganz fürchterlich in die Hose gehen. In diesem Fall, gebe ich zu, hat es uns weitergeholfen. Aber ich hasse es, die Kontrolle über ein Gespräch zu verlieren. Und dann werde ich unleidlich, wie du weißt.«
Ja. Er wusste. Bei all der guten Laune, die Nadja die meiste Zeit ausstrahlte, hatte auch sie ihre dunkle Seite. Die Natürlichkeit und Unbeschwertheit, mit der sie ihre Arbeit tat, waren Schutzschilde, die sie durchaus bewusst einsetzte. Andere Kollegen arbeiteten mit Ellbogentechniken und beherrschten das Intrigantentum aus dem Effeff, um an gute Geschichten heranzukommen. Sie hingegen ...
Die Lifttür öffnete sich. Mehrere Gestalten – Frauen wie Männer in dunkelblaue Nadelstreifenanzüge gekleidet – traten heraus. Zentrum des Interesses war eine massive, beeindruckende Gestalt mit wallendem rotem Haar, die ihre Augen hinter einer schmalen Sonnenbrille versteckte. Die Domestiken plapperten aufgeregt in einer seltsamen Sprache auf den Mann ein und kümmerten sich nicht weiter um die beiden Freunde.
»He!«, rief Nadja.
Robert zog sie beiseite, bevor sie vom Rudel der Bücklinge niedergetrampelt werden konnte. Sie riss sich los, stieg dem aufgeregten Menschenrudel nach und wollte ihrer Empörung in der ihr eigenen Impulsivität Luft machen.
»Lass es bleiben«, besänftigte Robert das Mädchen leise, »die merken gar nicht, was um sie herum vorgeht.«
Er konnte Nadja ansehen, wie schwer es ihr fiel, sich zurückzunehmen. Er zog sie mit sich in den Aufzug und verschloss ihn so
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