Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ellin

Ellin

Titel: Ellin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Millman
Vom Netzwerk:
schwang er sich auf dessen Rücken und galoppierte ohne einen Abschiedsgruß davon.
    Er folgte Ellins Spuren über die Lichtung bis zum Waldrand hin. Da er davon ausging, dass sie den Wald durchquert hatte, ritt er nicht hinein, sondern folgte nur seinem Verlauf. In regelmäßigen Abständen drosselte er das Tempo und warf prüfende Blicke hinein. Als der Wald sich schließlich lichtete und in einem schmalen Saum auslief, hielt er an, stieg ab und suchte zu Fuß nach weiteren Spuren. Zuerst fand er nichts, was auf Ellins Anwesenheit hindeutete, doch schließlich entdeckte er eine Kuhle sowie verräterische Krümel am Fuße einer Korbeiche. Frische Fußspuren führten in Richtung des Weges. Schnell schwang er sich auf Jalos Rücken und folgte dem Weg. Seine Anspannung wuchs. Hoffentlich würde sie nicht versuchen, vor ihm zu fliehen. Der Gedanke, sie mit Gewalt zurückzuschleppen, behagte ihm nicht, doch würde er es tun, wenn es sich nicht vermeiden ließ. Mit dem Druck seiner Schenkel trieb er den Hengst zu einem schnellen Galopp an und versuchte, Ellins Gestalt in der Ferne auszumachen, sah jedoch nichts, außer die endlosen Grasfelder, gesprenkelt mit mannshohen Felsen und windschiefen Bäumen.
    Spuren am Wegrand erregten seine Aufmerksamkeit. Er hielt inne, stieg ab und betrachtete sie. Die Grasnarbe war von einer Vielzahl Hufe aufgewühlt, dazwischen fanden sich die Abdrücke von schweren Stiefeln. Er folgte den Spuren bis zu einem Felsen. Auch dort war das Gras niedergetrampelt und die Erde aufgewühlt. Er ging einer Reihe von Fußabdrücken nach und stieß auf Ellins Bündel, welches im hohen Gras verschwand.
    Verflucht. Offensichtlich hatten Berittene das Mädchen in ihre Gewalt gebracht. Wer waren sie? Hausierer, Sklavenhändler, Wegelagerer oder eine zufällig vorbei gerittene Soldatenschar? Letzteres wäre fatal, denn die Gesetzlosen, aber auch die Soldaten, würden Ellin mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit schänden. Frustriert trat er gegen das Bündel. Die Vorwürfe, die Geldis ihm machen würde, sobald er ihr davon berichtete, konnte er sich lebhaft vorstellen, ebenso die anklagenden Blicke der anderen. Kurz überlegte er, ob er dennoch umkehren und sie ihrem Schicksal überlassen sollte. Ihr Auftrag wartete. Doch dann dachte er an Geldis’ Worte. Er war ein Uthra, ein Abgesandter des Lichts, er war besser als ein Mensch. Ob er es nun wollte oder nicht, das Schicksal des Mädchens lag in seiner Hand, seit er sie aus dem Wald getragen und zugelassen hatte, dass Geldis sie gesund pflegte. Es wäre unrecht, ihr jetzt den Rücken zu kehren. Mit einem geschmeidigen Satz sprang er auf sein Pferd und preschte davon.
    Er musste sie finden, so schnell wie möglich.
7
    S eit ihrer überstürzten Flucht von der Felsenfestung hatte es nur wenige Momente gegeben, in denen Ellin sich halbwegs wohl und sicher gefühlt hatte. Dieser war keiner davon. Müde, hungrig und mit schmerzenden Gliedern von dem unbequemen Schlaf, trottete sie den Weg entlang. Die Weite des Landes verunsicherte sie, war sie es doch gewohnt, zwischen dunklen Festungsmauern zu leben. Immer wieder blickte sie zurück, aus Angst, dass die seltsamen Leute, die sie gesund gepflegt hatten, ihr folgen würden, doch gab es nur einen Grund, warum sie das tun würden: um zu verhindern, dass sie anderen Menschen von ihnen erzählte. Sie schnaubte. Angesichts dessen, dass sie nicht einmal wusste, wer oder was sie waren, gab es auch nichts zu erzählen, vor allem da sie, zumindest äußerlich, nicht von Menschen zu unterscheiden waren.
    Sie beschattete ihre Augen und richtete ihren Blick gen Norden. Am Horizont entdeckte sie eine Ahnung des dunklen Waldes. Hier und da erhob sich ein Fels oder ein verkümmerter Baum inmitten der wogenden Grasfläche. Das Krächzen einer vorbeifliegenden Krähe erschreckte sie und sie beschleunigte ihren Schritt. Wenn sie bis zum Abend nicht an eine Wegkreuzung gelangte, würde sie querfeldein marschieren, denn zum dunklen Wald und damit nach Veckta wollte sie keinesfalls zurück.
    Die galoppierenden Pferde spürte sie, noch bevor sie sie hörte. Ein unheilvolles Vibrieren unter ihren Füßen, welches sich schnell auf ihre anderen Sinne ausweitete. Mit pochendem Herzen spähte sie in die Richtung, aus der sich die Reiter näherten. Berittene in Eile waren selten wohlgesonnen, und wenn es sich dabei gar um Soldaten handelte, nahm man als Frau besser die Beine in die Hand. Der Drang, sich zu verstecken überfiel sie

Weitere Kostenlose Bücher