E.M. Remarque
Ravic
trocknete sich ab. »Wollen Sie mir einen Gefallen tun? Für das Begräbnis von
Joan Madou zu sorgen? Ich werde keine Zeit mehr dafür haben.«
»Natürlich. Ist sonst noch etwas zu ordnen?
Hinterlassenschaft oder so etwas?«
»Das kann man der Polizei überlassen. Ich weiß nicht, ob
sie Verwandte irgendwo hat. Das ist auch gleichgültig.«
Er zog sich an.
»Adieu, Veber. Es war eine gute Zeit mit Ihnen.«
»Adieu, Ravic. Wir müssen noch den Kaiserschnitt
verrechnen.«
»Verrechnen wir auf das Begräbnis. Es wird ohnehin mehr
kosten. Ich möchte Ihnen das Geld dafür hierlassen.«
»Ausgeschlossen. Ausgeschlossen, Ravic. Wo wollen Sie,
daß sie begraben wird?«
»Ich weiß nicht. Auf irgendeinem Friedhof. Ich lasse
Ihnen ihren Namen und ihre Adresse hier.« Ravic schrieb ihn auf einen
Rechnungsblock der Klinik.
Veber legte den Zettel unter einen Briefbeschwerer aus
Kristall, in den ein silbernes Schaf eingegossen war.
»Gut, Ravic. Ich denke, ich werde in ein paar Tagen auch
fort sein. Viel operieren hätten wir doch kaum können, wenn Sie nicht mehr da
sind.«
Er ging mit Ravic hinaus.
»Adieu, Eugenie«, sagte Ravic.
»Adieu, Herr Ravic.« Sie sah ihn an. »Gehen Sie zum
Hotel?«
»Ja. Warum?«
»Oh, nichts, ich dachte nur ...«
Es war dunkel. Vor dem Hotel stand ein Lastwagen.
»Ravic«, sagte Morosow aus einem Hauseingang heraus.
»Boris?« Ravic blieb stehen.
»Die Polizei ist in der Bude.«
»Das dachte ich mir.«
»Ich habe die Carte d’Identité von Ivan Kluge hier. Du
weißt, von dem toten Russen. Noch anderthalb Jahre gültig. Geh mit mir zur
Scheherazade. Wir wechseln die Fotos aus. Du suchst dir dann ein anderes Hotel
und bist ein russischer Emigrant.«
Ravic schüttelte den Kopf.
»Zu riskant, Boris. Im Krieg soll man keine falschen
Papiere haben. Besser gar keine.«
»Was willst du dann machen?«
»Ich gehe zum Hotel.«
»Hast du dir das genau überlegt, Ravic?« fragte Morosow.
»Ja, genau.«
»Verdammt! Wer weiß, wo sie dich da hinstecken!«
»Auf jeden Fall werden sie mich nicht ausliefern nach
Deutschland. Das ist vorbei. Auch nicht ausweisen nach der Schweiz.« Ravic
lächelte. »Es wird das erstemal in sieben Jahren sein, daß die Polizei uns
behalten will, Boris. Es hat einen Krieg gebraucht, um es so weit zu bringen.«
»Es heißt, daß in Longchamps ein Konzentrationslager
eingerichtet wird.« Morosow zerrte an seinem Bart. »Dazu mußtest du aus einem
deutschen Konzentrationslager fliehen … um jetzt in ein französisches zu
kommen.«
»Vielleicht lassen sie uns bald wieder heraus.«
Morosow antwortete nicht. »Boris«, sagte Ravic. »Mach dir
keine Sorge um mich. Ärzte braucht man im Krieg.«
»Unter was für einem Namen wirst du dich festnehmen
lassen?«
»Unter meinem eigenen. Den habe ich hier nur einmal vor
fünf Jahren gebraucht.« Ravic schwieg eine Weile. »Boris«, sagte er dann, »Joan
ist tot. Erschossen von einem Mann. Sie liegt in Vebers Klinik. Sie muß
begraben werden. Veber hat es mir versprochen, aber ich weiß nicht, ob er nicht
vorher einrücken muß. Willst du dich um sie kümmern? Frag mich nichts, sag ja
und fertig.«
»Ja«, sagte Morosow.
»Gut. Servus, Boris. Nimm von meinen Sachen, was du
brauchen kannst. Zieh in meine Bude. Du wolltest ja immer mein Badezimmer
haben. Ich gehe jetzt. Servus.«
»Scheiße«, sagte Morosow.
»Gut. Ich treffe dich nach dem Krieg bei Fouquet’s.«
»Welche Seite? Champs-Elysées oder George V.?«
»George V. Wir sind Idioten. Heroische Rotzidioten.
Servus, Boris.«
»Scheiße«, sagte Morosow. »Nicht einmal anständig
verabschieden trauen wir uns. Komm her, du Idiot.«
Er küßte Ravic rechts und links auf die Backen. Ravic
spürte den Bart und den Geruch nach Pfeifentabak. Es war nicht angenehm. Er
ging zum Hotel.
Die
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