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Engelsfluch

Engelsfluch

Titel: Engelsfluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joerg Kastner
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nahm den Hörer ab, und seine Miene veränderte sich schon nach wenigen Sekunden, wurde noch ernster. Custos kannte seinen Privatsekretär gut genug, um zu wissen, dass es keine guten Nachrichten waren, die der Anrufer übermittelte. Luu stellte nur wenige, einsilbige Zwischenfragen und sagte dann: »Ich werde Seine Heiligkeit informieren. Halten Sie uns bitte auf dem Laufenden, Eminenz!«
    »Lavagnino?«, fragte Custos, nachdem Luu den Hörer aufgelegt hatte.
    Luu sah ihn überrascht an. »Woher wissen Sie das, Heiligkeit?«
    »Das war nicht schwer zu erraten. Wir selbst sind in Neapel, also kommen die neuesten Hiobsbotschaften vermutlich aus Rom. Was ist passiert?«
    »Markus Rosin ist tot.«

    »Wie?«, fragte Custos nur.
    »Man hat ihn mit aufgeschnittenen Pulsadern in seiner Zelle gefunden.«
    »Also Selbstmord.«
    »Das zumindest behauptet Generalinspektor Tessari, sagt Kardinal Lavagnino. Alexander Rosin allerdings ist anderer Meinung. Er glaubt, sein Vater wurde ermordet. Irgendetwas mit einer Sonnenbrille, so ganz habe ich das nicht verstanden.«
    »Der junge Rosin hat ein Gespür für solche Dinge. Nicht zuletzt deshalb habe ich ihn gebeten, zusammen mit der Polizei die Priestermorde zu untersuchen. Wenn er Recht hat, bedeutet das nichts Gutes. Ich habe schon lange den Verdacht, dass im Vatikan noch immer düstere Mächte zu Werke gehen.«
    »Soll ich den Flughafen anrufen, damit unser Hubschrauber startklar gemacht wird, Heiliger Vater?«
    Custos schüttelte nachdenklich den Kopf. »Noch habe ich Hoffnung, dass unsere Reise hierher nicht ganz vergebens war.
    Es ist nur ein Gefühl, aber etwas Entscheidendes wird sich hier bald ereignen.«
    »Ich bin nicht so optimistisch wie Sie, wenn ich ehrlich sein darf.«
    »Sie sollen mir immer ehrlich Ihre Meinung sagen, Henri, ansonsten wären Sie für mich wenig hilfreich. Ich weiß …«
    Ein plötzliches Zittern des Bodens unter seinen Füßen ließ Custos verstummen. Die Erde schien zu schwanken. Er verlor den Halt und wollte sich noch an einem kleinen Tisch abstützen.
    Der aber kippte um. Auch Custos stürzte, und seine Stirn prallte gegen die aufragende Tischkante. Ein stechender Schmerz durchzuckte seinen Kopf, dann spürte er etwas Warmes auf seiner Wange. Er fasste mit der Hand an die Stelle und hatte Blut an den Fingern.
    Ein neues, schwereres Beben erschütterte das Zimmer. Etwas prasselte auf Custos hernieder – Putz von der Decke. Ein Krachen und ein Aufschrei ließen ihn in Richtung seines Privatsekretärs sehen. Henri Luu lag am Boden, begraben unter einem umgestürzten Schrank.
    In der Gegend von Borgo San Pietro
    Die Schritte kamen näher. Enrico und Vanessa standen in dem unterirdischen Raum, in dem der Einsiedler wohnte und schlief, und richteten die Lichtkegel ihrer Taschenlampen auf die einzige Türöffnung, die hinaus auf den Gang führte. Ein rascher Seitenblick auf seine Begleiterin zeigte Enrico, dass ihr ebenso unwohl zumute war wie ihm. Die Schritte auf dem Gang stammten vermutlich von Angelo, und der würde wenig erfreut darüber sein, wenn er zwei Störenfriede an diesem intimen Ort vorfand.
    Das Licht der Lampen erfasste eine hagere Gestalt, zu der ein bärtiges Gesicht gehörte: Angelo. Er hob die Hände schützend vor die Augen und sagte vorwurfsvoll: »Das Licht blendet mich.«
    Enrico und Vanessa schalteten die Lampen aus. Enrico hörte ein kratzendes Geräusch, ein Zischen folgte, und die kleine Flamme eines Streichholzes flackerte auf. Angelo entzündete eine Kerze, die er in die Mitte des Raums stellte. Ihre unstete Flamme warf zuckende Schatten an die Wände, als wären die hier begrabenen Toten erwacht, um einen Geistertanz aufzuführen.
    Das alte, runzlige Gesicht des Einsiedlers wirkte in dem schwachen Licht wie aus einer anderen Welt, und er bedachte seine ungebetenen Gäste mit einem abweisenden Blick.
    Schließlich sah er Enrico an. »Du hast dein Wort gebrochen.«
    »Ich hatte gute Gründe dafür.«
    »Welche?«
    »Diese Frau hier, Dr. Vanessa Falk aus Deutschland, hat Sie gesucht. Sie ist sehr hartnäckig und hätte Sie auf jeden Fall aufgespürt. Da hielt ich es für besser, sie zu begleiten. Zumal ich auch noch ein paar Fragen an Sie habe, Angelo.«
    »Habe ich dir nicht gesagt, dass ich nicht gestört werden will? Und ich will auch keine Fragen beantworten!«
    Vanessa trat einen Schritt vor. »Warum verstecken Sie sich vor der Welt, Signor Piranesi? Was haben Sie zu verbergen? Ist es die Prophezeiung, die Ihnen und

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