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Engelsfuerst

Engelsfuerst

Titel: Engelsfuerst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joerg Kastner
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immer oder schon wieder, das blieb
sich fast gleich. Alexander spannte den glockenförmigen Schirm auf, den Don Luu ihm geschenkt hatte,
und stieg die Treppe hinab. Vom anderen Flußufer
leuchtete die mit Flutlicht angestrahlte Engelsburg
herüber. Vor der Trattoria standen ein paar Tische unter einem halbrunden Dach, aber niemand war so wetterfest gewesen, hier draußen Platz zu nehmen. Drinnen war etwa die Hälfte der Tische besetzt, wie Alexander schon durch die großen Fenster erkannte.
    Er schüttelte den Schirm ab, trat ein und sah sich
suchend um, konnte Emilio Petti aber nirgends entdecken. Der Gedanke, daß Petti ihn versetzen könnte
und ihm das abendliche Treffen vielleicht nur vorgeschlagen hatte, um ihn zu besänftigen, behagte Alexander ganz und gar nicht.
    Federico, ein bulliger Mann mit stattlichem Bauch
und fleischigen Wangen, stand persönlich hinter dem
Tresen und war mit seiner altertümlichen Registrierkasse beschäftigt, die ebensoviel Patina hatte wie die
gesamte Einrichtung. Alexander trat zu ihm und erkundigte sich nach Petti, den er umständlich beschrieb.
    Der Wirt zeigte, ohne lange zu überlegen, auf einen
Ecktisch. »Da sitzt der Mann, den Sie suchen. Er ist
vor zehn Minuten gekommen.«
    »Aber an dem Tisch sitzt niemand«, stellte Alexander nach einem kurzen Blick fest.
»Natürlich nicht. Der Herr ist vor fünf Minuten
mit dem anderen vor die Tür gegangen. Er sagte noch,
er käme gleich zurück, und ich solle ihm den Tisch
freihalten.«
»Mit welchem anderen?«
»Den habe ich mir nicht so genau ansehen können.
Ich weiß nur, daß er ziemlich groß war und kurz nach
Ihrem Freund hereinkam. Er hat kurz mit ihm gesprochen, und dann sind beide hinausgegangen.«
In Alexander schrillten die Alarmglocken, und er
eilte ohne ein weiteres Wort nach draußen. Vor der
Trattoria war kein Mensch zu sehen. Die in regelmäßigen Abständen aufgestellten Laternen beleuchteten
den ebenen Betonboden bis hin zur Treppe. Links
führte ein schmaler Weg hinter das Gebäude, und
Alexander folgte ihm, bemüht, möglichst leise zu sein.
Der Platz hinter der Trattoria war mit Müllcontainern
und irgendwelchen Kisten zugestellt, und von den Laternen oben an der Straße drang nur ein matter Schein
herunter. Mehr Schatten als Licht, dachte Alexander,
während er sich langsam zwischen einem Müllcontainer und einem Kistenstapel hindurchschob.
Ein Geräusch wie ein leises Röcheln ließ ihn aufhorchen, und dann sah er etwas ganz nah am Fluß liegen. Auf den ersten Blick hätte es ein Lumpenbündel
sein können. Doch es bewegte sich, streckte eine
Hand aus, wie um Alexander etwas zu zeigen.
Die Hand wies zu einem zweiten Müllcontainer, aber
das bemerkte Alexander fast zu spät. Aus dem Schatten
des Containers löste sich eine Gestalt und sprang auf
ihn zu. Ein ungewöhnlich großer Mann, in der rechten
Hand ein Messer mit langer, gezackter Klinge.
Alexander duckte sich zur Seite weg und schlug
gleichzeitig mit dem Schirm, seiner einzigen Waffe,
nach der rechten Hand des Angreifers. Bei der Schweizergarde war er Ausbilder für den Kampf mit Blankwaffen gewesen, und das kam ihm jetzt zugute. Er
traf, und das Messer landete klirrend irgendwo in der
Dunkelheit auf dem Beton.
Doch sein Gegner erholte sich von der Überraschung und warf sich so schnell auf ihn, daß Alexander nicht mehr ausweichen konnte. Er fiel rücklings
auf den harten Boden, und für eine lange Sekunde
fehlte ihm die Luft zum Atmen. Der Angreifer setzte
sich auf ihn und holte mit der geballten Rechten zum
Schlag aus.
Alexander hielt noch immer den Schirm in der
Hand und stieß ihn nun mit der Spitze nach oben, einfach nur, um den Gegner abzulenken.
Der Unbekannte heulte auf, und Alexander blieb
wundersamerweise von dem erwarteten Fausthieb
verschont. Sein Gegner hatte keuchend beide Hände
vors Gesicht geschlagen, als hätte ihn die Schirmspitze
ernsthaft verletzt.
Alexander nutzte das aus, um ihn von sich wegzustoßen. Der andere war ein wahrer Koloß, setzte sich
aber kaum zur Wehr. Alexander verpaßte ihm einen
Faustschlag gegen die Schläfe. Der Koloß kippte zur
Seite und versuchte noch, den Sturz mit beiden Händen abzufangen. Als er zu Boden ging, konnte Alexander im schwachen Licht endlich sein Gesicht sehen.
Ein kantiges, fast knochiges Gesicht, anhand dessen
er den Mann auf etwa fünfunddreißig bis vierzig Jahre
schätzte. Aber das ging ihm nur nebenbei durch den
Kopf. Ungläubig starrte er auf das, was seine

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