Entflammt
Jahre zurückversetzt. Wie MacIntyres Laden war dieses Café vollkommen veraltet, allerdings war es hier sauber und nichts offensichtlich kaputt.
Ich sah Dray an. »Was ist das hier für ein Kaff? Das kleine malerische Dorf, das von der Zeit vergessen wurde? Habt ihrhier schon mal von den Wundern der Modernisierung gehört?« Ihr dunkel geschminkter Mund verzog sich ein wenig undwir rutschten in eine Nische. Der Plastikbezug der Bank fühlte sich unter meiner Cordhose glitschig an.
»Das mit dem Dorf stimmt«, bestätigte sie. »Aber ohne den malerischen Teil.«
Die Kellnerin kam, eine unansehnliche Blondine in Drays Alter, die sie anscheinend kannte. Dray warf ihr einen wohlwollenden Blick zu, was das Mädchen total zu verunsichern schien.
»Einen Schoko-Milchshake«, sagte Dray.
»Wie ist hier der Kaffee?«, fragte ich. »Auf einer Skala von eins bis zehn. Aber bitte ehrlich.«
Die Kellnerin sah überrascht aus, dann wurde sie rot. Sie warf einen Blick auf den Koch, der misstrauisch zu uns herübersah, und senkte ihre Stimme. »Nicht zu empfehlen«, flüsterte sie. »Ich habe Mist gebaut und zu viele Löffel Kaffeereingetan. Er ist schon fast dickflüssig. Drei Leute haben ihn schon zurückgeschickt.«
»Ooh - das klingt genau nach meiner Vorstellung von gutem Kaffee. Ich nehme ihn«, sagte ich.
»Echt?«
»Ja. Ich brauche ganz, ganz dringend Koffein.«
Die Bedienung - auf deren Namensschild Kimmie stand - lächelte kurz, was sie einen Moment lang richtig hübsch aussehenließ. »Bin gleich wieder da.«
»Du verbreitest wohl immer Sonnenschein, wo du auch bist, oder?«, stichelte Dray.
»So bin ich halt«, konterte ich nüchtern. »Ein echter Weihnachtsengel. «
Dray saß seitwärts auf der Bank, den Rücken an der Wand, die Füße auf dem Polster. Sie wirkte noch abweisender alssonst und sah unter ihrem starken Make-up blass und ungesund aus.
»Wieso bist du immer noch hier?«, fragte sie mich.
Ich seufzte. Gute Frage. »Ich versuche ... so ein Programm durchzustehen.« Oder zumindest hatte ich das versucht. Jetztstand ich einfach nur noch unter Schock und wusste nicht, wohin ich sonst gehen sollte.
»Ach, so ein Zwölf-Stufen-Ding?«
»Ja. Nur schlimmer. Mein Job ist ein Teil davon.«
»Ah. Ich dachte schon, du wärst eine verkappte Sozialarbeiterin«, sagte Dray und kicherte. Kimmie stellte den Milchshake ab, der super aussah, und meine Tasse Kaffee, die ebenfalls super aussah, wenn man den Anblick von Teer mochte.
»Sie müssen ihn nicht trinken, wenn er nicht schmeckt«, flüsterte Kimmie.
»Okay«, flüsterte ich zurück. Nachdem sie gegangen war fragte ich: »Geht sie auf deine Schule?«
»Es gibt hier nur eine Highschool«, sagte Dray und saugte kräftig an ihrem Strohhalm. »Aber ich geh nicht mehr hin.« »Und was machst du jetzt?« Obwohl in meinem Innern alles danach schrie, mich zusammenzurollen und mir eine Decke über den Kopf zu ziehen, zwang ich mich in die Gegenwart und dazu, mit ihr zu reden. Und es fühlte sich gut an. Ich war froh, dass ich hier war.
Dray zuckte mit den Schultern und ihr Gesicht wurde abweisend. Sie setzte sich aufrecht hin und hielt ihr Glas mit beiden Händen fest wie ein kleines Kind.
»Arbeitest du?«, fragte ich.
Sie zuckte wieder gelangweilt mit den Schultern.
Was würde River tun?, fragte ich mich.
In der Stille, die jetzt folgte, verzog sich das Jetzt und Reyn drängte sich in meine Gedanken. Ich hatte ihn geküsst. Er hatte mich geküsst. Wir hatten wie die Blöden auf dem Heuboden rumgemacht. Ich wäre noch viel weiter gegangen.
Wenn er nicht der verdammte Winterschlächter wäre.
Meine Eltern. Oh, Gott.
»Wieso hast du dir die Haare gebleicht?«, unterbrach Dray meine Gedanken.
Ich brauchte einen Moment, um zurückzukommen. »Hab ich nicht. Das ist meine natürliche Farbe. Ich überlege, alsNächstes Rot zu nehmen.«
»Solltest du lassen«, sagte sie und musterte meinen schulterlangen Stufenschnitt. »Die Farbe ist cool. Ich weiß gar nicht mehr, welche Farbe meine Haare wirklich haben.« »Das Gefühl kenne ich«, sagte ich grinsend.
Wir schwiegen noch ein paar Minuten. Ich musste bald los. Normalerweise kam ich direkt nach der Arbeit nach Hause, aber gewöhnlich holte mich auch jemand ab. Ich liebte die Freiheit, meinen eigenen Sprit zu verschwenden.
»Na, wie auch immer«, sagte Dray und durchbrach damit unser Schweigen. »Hier gibt's keine Jobs. Das Kaff ist total tot.«
Ich
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