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Entflammt

Entflammt

Titel: Entflammt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cate Tiernan
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schnaubte. »Das kannst du laut sagen.« Ich nippte an meinem dickflüssigen Kaffee und rührte noch zwei Stücke Zucker hinein.
    In ihren Augen blitzte so etwas wie Verblüffung auf, als hätte sie erwartet, dass ich ihren Heimatort verteidige. »Die Leute hier - mögen mich nicht«, sagte sie. »Sie glauben, dass ich genauso Mist baue wie meine ... Verwandten.« »Die Leute hier mögen dich nicht?«
    Dray nickte trotzig.
    Ich sah sie entgeistert an. »Es interessiert dich wirklich, was irgendwelche Dorftrottel aus einem Kaff im Nirgendwo von dir halten?«
    Sie blinzelte.
    »Dray. Das hier ist nur ein winziges Städtchen. Es ist nicht der einzige Ort auf der Welt, wo man leben kann. Noch nichtmal der einzige Ort in Massachusetts. Oder in Amerika. Die paar Leutchen hier sind nur Pünktchen auf einem Bildschirm.Sie sind Nobodys. Was interessiert es dich, was sie denken?« »Es sind aber alle«, sagte Dray. »Alle in der Schule. Alle inder Stadt.«
    »Alle in dieser einen Stadt«, verbesserte ich sie. »Nicht alle überall. Geh nach Kalifornien oder Mississippi oder nachFrankreich. Da hat noch niemand von dir gehört, und was noch wichtiger ist, da hat noch nie jemand von den Loserngehört, die hier leben.«
    Ihr klappte tatsächlich der Unterkiefer herunter. War ihr dieser Gedanke wirklich noch nie gekommen? Hatte sie geglaubt,hier für immer festzusitzen?
    »Einfach ... irgendwo hingehen?« Ich konnte praktisch hören, wie ihr Gehirn arbeitete.
    »Einfach irgendwo hingehen«, bestätigte ich.
    Ihr Gesicht verhärtete sich wieder. »Wie? Dazu braucht man Geld.«
    Ich überlegte. »Da gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder du nimmst jeden Job an, den du kriegen kannst - im Altersheim,beim Bestattungsunternehmer oder als Putzfrau -, und sparst genug für eine einfache Busfahrkarte nach irgendwo und Essen für eine Woche. Oder -«
    Sie wartete.
    »Du kannst alles werden, was du willst«, sagte ich. »Du kannst diejenige werden, die du sein willst. Wenn du nichts gegen das Militär hast, kannst du da Geld verdienen, was lernen, die Welt sehen und lernst auch noch ein paar nützliche Tricks mit einem Gewehr.«
    Dray schnaubte ein Lachen. »Mal abgesehen davon, dass ich letzten Monat erst siebzehn geworden bin.«
    »Dann arbeite und spare ein Jahr lang«, sagte ich und warf durchs Fenster einen Blick in den Himmel. »Du hast die Wahl, Dray. Du hast immer eine Wahl. Es ist niemals so schlimm, dass du nicht einfach weggehen kannst. Denk darüber nach. Und ich muss jetzt los.«
    Dray schlürfte ihren Shake aus. Sie sah immer noch nachdenklich aus, als ich meine Michelinmännchen-Daunenjacke anzog.
    »Kann ich dich irgendwo absetzen?«, bot ich an.
    »Nee.« Sie schüttelte den Kopf. »Ich kann laufen. Danke für den Shake.«
    »Kein Problem. Man sieht sich.«
    Dray setzte sich auf dem Bürgersteig in Bewegung und sah nicht mehr ganz so verloren aus wie vorher. Ich stieg in meinAuto, als sie sich noch einmal umdrehte. »Wie bist du so klug geworden und alles?«, fragte sie und lachte. Weil ich viele Tausend noch blödere Fehler gemacht habe als du, dachte ich. Ich hatte viel Schlimmeres hinter mir.
    Ich zuckte mit den Schultern. »Ich bin halt schon ein bisschen rumgekommen. «
    Sie nickte. Dann wendete sie sich ab und zog in der Jacke die Schultern hoch.
    Sie wurde mir wichtig. Und auch Meriwether und Old Mac wurden mir wichtig und das nach Jahrzehnten, in denen mirnichts mehr wichtig gewesen war.
    Das war ungewöhnlich.
    Es war gruselig.
    Ich wusste nur zu gut, wie weh es tun würde, wenn ich sie verlor.
    Das gefiel mir gar nicht.

27
    Wieder zu Hause behandelten mich River, Asher, Solis und Anne unfassbar normal. Es war total verrückt.
    Sie erwarteten, dass ich meine Arbeit machte. Mein Name stand auf der Tafel. Offenbar kannten alle vier Lehrer die ganze grässliche Geschichte, aber von den anderen sah mich keiner anders an als sonst, und sie benahmen sich auch wie immer.
    Reyn sah ich erst beim Abendessen. Er kam mit einer großen Terrine aus der Küche. Ich nahm ihn mit allen Sinnen auf, betrachtete ihn genau und versuchte ihn mir mit langen, blutverschmierten Haaren und bemaltem Gesicht vorzustellen. Er sah mich und seine Kiefermuskeln begannen zu arbeiten. In meiner Fantasie stellte ich mir vor, wie er geschockt mit ansehen musste, wie seine Familie und die anderen Krieger von einer Feuersäule verschlungen wurden.
    Wir machten beide überaus ernste Mienen und achteten darauf, dass

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