ENTSEELT
bevor dieser Tag kommt.«
»Was?« Ein zweifelnder Ausdruck zog wie ein Schatten über sein Gesicht. Seine Stimme war jetzt ein Flüstern: »Was? Willst du damit sagen, dass ...?«
»Halt!« Ich hob mahnend die Hand; jetzt, wo ich ihn an der Angel hatte, war es an mir, ihn zu unterbrechen. »Nein, wir sind eigentlich nicht so verschieden. Und jetzt werde ich dir etwas verraten, mein dummer, eifersüchtiger und ungeduldiger Sohn. Was du getan hast, geschieht gar nicht so selten. Das ist weder ungeheuerlich noch ungewöhnlich. Wenigstens nicht für mich und die anderen, die so denken wie ich. Inzest? Ja sicher, die Wamphyri haben sich immer gegenseitig gefickt, und nicht nur auf diese eine Art. Ich kann dir eines versichern, Janos: Sei froh, dass du als Mann geboren wurdest und in erster Linie ein Mensch bist. Denn wenn du ein anderer Vampir wärst ... nun, ich wüsste, wie ich mit dir verfahren würde. Und dann würdest du wissen, wie es ist, wenn man vergewaltigt wird!«
Meine Worte hätten ihn warnen sollen, dass ich vielleicht doch nicht so nachsichtig war, wie ich vorgab, aber er bemerkte es nicht. Ich hatte ihm ein halbes Versprechen gegeben, und er wollte die andere Hälfte – jetzt sofort.
»Du hast gesagt ... soll das heißen ... du kannst mir zeigen, wie ich ein Wamphyri werde?«
»So in etwa.« Die Spitze des Holzpflocks, der auf mich gerichtet war, zitterte jetzt.
»Wie soll das gehen?«
»Nicht so schnell!«, sagte ich. »Zuerst musst du mir erzählen, wie weit du schon gekommen bist. Du hast gesagt, du willst so sein wie ich. Genauso wie ich. Das heißt, du willst ein Wamphyri sein. Nun, du wirst doch schon geübt haben, oder? Also, was ist dabei herausgekommen?«
Er war verschlagen. »Frag mich lieber, was ich noch nicht geschafft habe. Alles andere ist meine Sache!«
»Na gut, also was kannst du nicht?«
»Ich kann mein Fleisch nicht verwandeln, ich kann meine Gestalt nicht ändern, ich kann nicht fliegen.«
»Das ist eine Frage des Willens über das Fleisch – aber nur, wenn es sich um Wamphyrifleisch handelt. Und das ist deines nicht. Andererseits ... es gibt Möglichkeiten, das zu ändern. Was sonst noch?«
»Du bist ein begnadeter Nekromant. Einmal hast du einen einsamen Reisenden ermordet, der hier vorbeikam. Ich war an einem geheimen Ort verborgen und habe zugesehen, wie du seinen Körper aufgeschlitzt und sein Wissen über die Welt da draußen aus seinen Körperteilen herausgekitzelt hast. Du hast die Gase in seinen Eingeweiden inhaliert, um aus ihnen zu lernen. Du hast die Augen ausgelutscht, um das zu sehen, was sie gesehen haben. Du hast das Blut aus seinen geplatzten Ohren auf die deinen gerieben, um zu hören, was sie gehört haben. Später, als eine Gruppe fremder Szgany vorbeikam, habe ich ein Mädchen von ihnen gestohlen und sie auf die gleiche Art benutzt. Das, was du getan hast, habe ich auch gemacht. Aber ich habe nichts dadurch erfahren und mir wurde schrecklich übel.«
»Die Wamphyri sind in der Nekromantie unerreichte Meister«, erklärte ich ihm. »Ja, es ist eine seltene Kunst. Aber auch die lässt sich lehren. Hättest du mir den Zugang zu deinen Gedanken gestattet, hätte ich dich unterrichten können. Du hast dir selbst den Weg verbaut, Janos. Ist da noch etwas?«
»Deine gewaltige Körperkraft«, sagte er. »Ich habe gesehen, wie du einen Mann gezüchtigt hast. Du hast ihn aufgehoben und fortgeschleudert wie ein trockenes Holzscheit. Und ich habe dich auch ... ich habe dich im Bett gesehen. Da wo andere die Kraft verlassen hätte, kannte deine Energie keine Grenzen. Ich war der Meinung, sie hätte ein Geheimnis, Marilena meine ich, irgendeine Salbe oder einen Trick, der dich hart hielt. Das war auch einer der Gründe, warum ich zu ihr gegangen bin. Ich wollte alle deine Geheimnisse kennen.«
Jetzt war ich an der Reihe; es gab da noch etwas, das ich wissen musste: »Hat sie jemals Verdacht geschöpft?«
Er schüttelte den Kopf. »Nicht ein Mal. Meine Augen hatten sie völlig unter Kontrolle. Sie wusste nur das, was ich ihr gestattete, und tat nur das, was ich ihr auftrug.«
»Und du hast sie dazu gebracht, zu glauben, du wärest ich«, knurrte ich, »damit sie nichts vor dir verborgen hielt!« Ich stürzte vor, um nach ihm zu greifen.
In diesem Moment las der Wicht meine Gedanken. Bis dahin hatte ich sie vor ihm verborgen gehalten, aber als der Gedanke an sein Beisammensein mit Marilena mich wieder quälte, verlor ich die Kontrolle darüber. Er sah meine
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