Es wird Dich rufen (German Edition)
kreisten noch immer um die Lanze, die der Superior ihm gezeigt hatte. Sie wartete nur darauf, nach 2 000 Jahren endlich wieder mit dem Gral vereint zu werden.
Dann würde sich auch die alte Legende erfüllen.
Er wusste, dass nun alles von ihm abhing – und er gefiel sich in dieser Rolle. Druck verspürte er keinen. Dafür war er sich seiner Sache zu sicher, zumal er von seinem Butler erfahren hatte, dass es praktisch nur noch eine Formalie war, bis er die Papiere bekam, die ihn direkt zum Gral führen sollten.
So war es zumindest in den Hinterlassenschaften des SS Ahnenerbes dokumentiert.
»Entschuldigen Sie, Herr General«, klopfte einer seiner Bediensteten an die geöffnete Tür des Arbeitszimmers. »Es ist Besuch für Sie da.«
»Besuch?« Der General war überrascht. Er erwartete niemanden. »Wer ist es?«
»Der Mann behauptet, er wäre ein Abgesandter der Söhne und dass Sie über seine Ankunft informiert wären.«
»Jetzt schon?« Der General hatte mit seiner Ankunft in frühestens zwei Tagen gerechnet. »Na gut, schicken Sie ihn rein!«
Wenige Augenblicke später stand ein hochgewachsener Mann mittleren Alters vor ihm. Er trug einen schwarzen Anzug und eine dunkle Sonnenbrille. An seinem Jackett heftete das obligatorische Zeichen der »Söhne Luzifers« – das auf dem Kopf stehende Pentagramm. Ein gepflegter Dreitagebart sowie die betont kurz geschnittenen schwarzen Haare unterstrichen den südländischen Typ des Agenten.
»Kommen Sie herein«, hieß der General seinen Gast willkommen. »Danke.« Der Besucher schüttelte ihm kurz die Hand und nahm auf der Couch gegenüber dem Schreibtisch Platz, wobei er die Beine lässig übereinanderschlug.
»Mein Name ist Boone«, sagte er trocken. »Christopher Boone.«
»Es ist mir ein Vergnügen, Sie kennenzulernen, Mister Boone«, log der General. Noch immer war er nicht sonderlich begeistert, dass der Superior ihm einen seiner Männer an die Seite stellte. Ihm blieb aber nichts anderes übrig, als mit diesem klarzukommen. Der Agent der »Söhne Luzifers« würde sehr wahrscheinlich alles an den Orden melden, was den General betraf – Positives wie Negatives. Dessen war er sich sicher.
»Und Sie sind?«, fragte sein Gast.
»Nennen Sie mich bitte einfach ›General‹. Ich nehme an, Ihr Superior hat Ihnen bereits ausgerichtet, dass ich es vorziehe, die Anonymität zu wahren.«
»Das hat er zwar nicht«, bekannte Boone verwundert und fügte mit einem unüberhörbar sarkastischen Unterton hinzu: »Aber wenn es Ihnen derart wichtig ist, dann soll es so sein.«
Der General reagierte nicht auf den offensichtlichen Versuch, ihn zu provozieren. Stattdessen griff er nach einer Zigarre, die er in einem goldenen Etui in seinem Schreibtisch verwahrte, und zündete sie an. Rauchen half ihm, wenn er sich zu gestresst fühlte.
»Möchten Sie auch eine?«
»Nein danke«, sagte Boone. »Ich rauche nicht.«
»Da versäumen Sie etwas!«
»Das wage ich zu bezweifeln.«
Boone nahm seine Sonnenbrille ab und steckte sie, mit den Gläsern nach außen gerichtet, in die Brusttasche seines Jacketts.
»Lassen Sie uns gleich zur Sache kommen, General«, bat er. »Wir sind über die Angelegenheit mit den Dokumenten im Bilde.«
»Das ist mir klar«, grummelte der General. »Schließlich habe ich es Ihnen ja erzählt.«
»Sie wissen aber noch nicht alles«, fuhr Boone fort. »Der Mann, der diese Papiere hat, ist eine außerordentliche Gefahr für uns.«
Der General konnte sich ein bemitleidendes Schmunzeln nicht verkneifen. »Das wäre mir aber neu!«
Es gab für den Orden doch nicht den geringsten Anlass, in Panik zu verfallen, schließlich hatte der General alles bestens im Griff. Was sollte die Sorge um diesen Journalisten, der sich – noch – im Besitz der Dokumente befand? Dass sich dies in Kürze ändern würde, hatte der General doch deutlich zum Ausdruck gebracht. Er konnte die ängstliche Haltung des Ordens partout nicht verstehen.
»Machen Sie sich mal keine Sorgen, Boone!«, sagte er deshalb. »Der Mann wird noch nicht einmal merken, was passiert ist, so schnell werden wir die Papiere haben.«
Sicher würde der Journalist sich wundern, wenn die Dokumente plötzlich fehlten, er würde sich fragen, warum und wem die alten Aufzeichnungen so wichtig waren, dass sie gestohlen wurden. Trotzdem stellte dieser Journalist absolut keine Bedrohung für seine Pläne dar.
Nur die »Bewahrer des Lichts« konnten dem Orden in der Tat noch gefährlich werden. Um sie musste
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