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Esswood House

Esswood House

Titel: Esswood House Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Straub
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verspürte eine Woge von jähem Haß und Abscheu, die so unverfälscht waren wie seine anfängliche Furcht. Sie und das Kuckuckskind in ihrem Bauch hatten ihn aufgespürt - sie gönnten ihm nicht einmal eine Woche Abgeschiedenheit. Sie würden sich durch die Tür drängen und hereingewatschelt kommen, Krümel verstreuen und sein ureigenes Reich wie eine schlampige Armee besetzen.
    Standish war für alles gewappnet, war in jeder erdenklichen Hinsicht gewappnet, setzte sich auf einen Stuhl, riß den Umschlag auf und zog den Brief seiner Frau heraus.

KAPITEL VIERZEHN
    Lieber William,
    ich wette, Du hast nicht damit gerechnet, daß Du so bald von mir hören würdest. Etwas Witziges ist passiert - gestern bin ich Saul Dickman über den Weg gelaufen, der mir erzählte, daß er den Rest des Sommers in England verbringen wird und sich wünschte, er hätte so ein gemütliches Plätzchen wie Du und so ein aufregendes Projekt wie Du. Wie auch immer, ich fragte ihn, ob er einen Brief mitnehmen und in London (Sauls erstem Zwischenhalt) aufgeben könnte, und wenn Du diese Zeilen liest, hat er das auch getan. Zustellung binnen 3 Tagen, nicht schlecht, was?
    Ich wollte Dir aus vielerlei Gründen schreiben, aber vorwiegend, weil ich mir Sorgen machte. Vor Deiner Abreise warst Du so nervös. Als ich Dich zum Flughafen brachte, hattest Du jedesmal, wenn jemand an uns vorbeikam, Schaum vor dem Mund, und als sie Deinen Flug aufgerufen haben, warst Du so aufgedreht, daß Du nicht auf Wiedersehen gesagt hättest, wenn ich Dich nicht daran erinnert hätte. Du hattest wieder diesen Ausdruck - diesen Ausdruck in den Augen. Ich hoffe wirklich, Du konntest Dich im Flugzeug etwas ausruhen, denn teilweise ist das schlicht und ergreifend auf Schlafmangel zurückzufuhren. Und Du warst nie besonders entspannt, nicht wahr, William? Ich meine, vieles ist einfach normal, und vielleicht bin ich auch nicht perfekt, Du weißt, was ich meine.
    Aber Du weißt auch, warum ich mir Sorgen mache, da bin ich ganz sicher. Jedenfalls solltest Du es wissen. Ich will Dich nicht wütend machen oder so etwas, denn die zwei letzten Jahre ist es ganz gut mit uns gelaufen. Aber keiner von uns wird je vergessen, was in Popham geschehen ist. Natürlich bist Du auf die Füße gefallen, ich kam darüber hinweg und wir konnten einander vergeben, denke ich, und wir sind umgezogen und Du hast sogar einen besseren Job gefunden. Dennoch ist es passiert. Unsere Freunde haben alle ganz genau verstanden, was Du durchgemacht hast, sogar ich habe es verstanden, dabei war ich diejenige, die leiden mußte, aber trotzdem ist es passiert, William, und ich möchte auf gar keinen Fall, daß es noch einmal passiert. Ich werde dieses Baby nicht verlieren, darauf kannst Du Dich verlassen.
    Wenn Du wieder so etwas fühlen solltest, dann komm einfach nach Hause. Verrenne Dich nicht in etwas. Vergiß mich nicht. Es ist alles in Ordnung.
    Zenith ist ganz schön, aber könnten wir nicht anderswo leben? Solange Du - Du weißt schon.
    Ich möchte nicht, daß Du wütend wirst, William, ich mache mir nur Sorgen um Dich. Auch ich brauche Trost. Wir beide, und zwar jede Menge. Vielleicht möchte ich Dir welchen spenden, indem ich dies schreibe. Vielleicht auch mir selbst.
    Bitte ruf mich an. Bitte schreib mir. Bitte heitere mich auf. Ich bin so schwer, daß ich kaum ins Bad gehen kann, und ich pinkle jedesmal, wenn ich rülpse. Ich habe furchtbare Angst, daß etwas schiefgeht und es wieder wird wie damals, während der schrecklichen Zeit, unserer schrecklichen Zeit; ich wünschte, Du wärst hier und ich könnte sehen, daß alles in Ordnung ist.
    Okay?
    Alles Liebe
    Jean

    P. S. - Ich habe in einem Nachschlagewerk über Deinen Aufenthaltsort nachgelesen, dem Oxford Companion to English Literature . Etwas in der Art. Was für ein merkwürdiges Haus! Hast du IRGEND ETWAS herausgefunden? Gibt es ein großes, dunkles Geheimnis? Ich sollte nicht fragen, ich weiß ...

KAPITEL FÜNFZEHN
    Saul Dickman , dachte Standish. Na klar. Gestern bin ich Saul Dickman über den Weg gelaufen. Gestern sprach ich ganz zufällig mit dem guten alten Saul, der zweimal verheiratet war und immer ein kleines Techtelmechtel nebenher laufen hat und vermutlich sogar in einem hysterischen hochschwangeren Klops wie Jean Standish noch ein Sexobjekt sehen dürfte. Standish knüllte den Brief zusammen und warf ihn in den Papierkorb.

    Zwanzig Minuten später stand Standish geduscht und frisch angezogen in der inneren Galerie. Ein kleiner

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