Euro Psycho
Eingang.
Das hier ist ein königlicher Golfplatz. Fürst Rainier und Fürstin Gracia von Monaco haben hier früher gespielt.
Eine Profi-Anlage. Zweimaliger Austragungsort des Golf World Cup.
Ich schlendere durch das Tor. Der Sicherheitsmann davor löst sich aus seiner Erstarrung, tritt aus seiner kleinen Wachhütte und faselt was von »Nur für Mitglieder«. Doch als ich mit ein paar Geldscheinen wedele, setzt er sich wieder. Ich gehe in El Club Shoppo, um eine Ausrüstung zu kaufen. Im Shoppo versuche ich – wenn auch vergeblich –, mich nicht von dem neuartigen Glasdach beeindrucken zu lassen.
Derart beeindruckt entscheide ich mich für ein Callaway- FT -i2-Fusion-Fairway-Holz mit chemisch gefrästem Hyperbolic Face Cup und einem Aldila-Voodoo-Graphitschaft. Sowie für einen Taylor-Made-R9-Super-Tri-Driver mit Flight-Control und Movable-Weight-Technologie. Dazu noch mehr richtig teures Zeug, das ich hier beim besten Willen nicht aufzählen möchte. Ich trotte zum Tresen, doch meine Visa-Karte wird nicht akzeptiert, eine weitere auch nicht, also bezahle ich den Einkauf mit einer dritten. Ich habe ein ungutes Gefühl dabei.
Dann geht es auf die Anlage. Ich engagiere einen jungen Trottel von hier – er macht einen auf Ich kenne den Platz, Señor –, damit er für mich den Caddie spielt und mir mit meinem gerade erworbenen Cobra-Double-Canopy-Golfschirm mit Gutbuster-System Schatten spendet. Ich stehe also im Schatten am Abschlag von Loch eins, wo eine Gruppe Besoffener auf Junggesellenabschied, die passenderweise alberne Sou’wester-Regenhüte tragen, ungeduldig hinter mir wartet. Während ich meinen Bridgestone-B330kx-Ball mit graduierender Kompression und neu konstruiertem Innenmantel fixiere, denke ich darüber nach, warum ich hergekommen bin.
Ich bin dem Rat von Ex-Nationalstürmer und Ex-Nationaltrainer Kevin Keegan gefolgt. Denn wie treue Konsumenten der Marke Kev King wissen, ist das die wahre Identität meiner inneren Stimme. Es ist Keegans Stimme, die eurem Kev in seinen schwersten Stunden flüsternd den Weg weist.
Kevin Joseph Keegan.
Was Europapokale und Titel betrifft, bin ich inzwischen vielleicht auf Augenhöhe mit jemandem wie Keegan – oder Mighty Mouse, wie ihn seine Bewunderer in Deutschland nennen. Schließlich habe ich zweimal die Champions League gewonnen und er nur einmal. Trotzdem kann ich von Keegan immer noch eine Menge lernen. Ich geb’s zu. Denn er hat dreiundsechzigmal für England gespielt.
Er war zweimal Europas Fußballer des Jahres und ich nur einmal. Na ja, keinmal, um ehrlich zu sein.
Er hat dreimal die englische Meisterschaft gewonnen und ich zweimal.
Und kommt auf 592 Einsätze, ich nur auf 350 und ein paar Zerquetschte.
Ich habe noch einen langen Weg vor mir, um mit Mighty Mouse gleichzuziehen. Und nicht nur auf dem Spielfeld ist Keegan mein Vorbild. Außerhalb kann ich ebenfalls von ihm lernen. Denn Keegan war nicht nur ein unfassbar erfolgreicher Geschäftsmann – der Lockenschopf hat früher mal für den innovativen Hummel-Schuh Werbung gemacht –, sondern er trat auch als großzügige Persönlichkeit für wohltätige Zwecke in Erscheinung, etwa als Gesicht der staatlichen Kampagne für Verkehrssicherheit im Jahr 1974.
Das macht Keegan aus. Seine facettenreiche Persönlichkeit. Mit seinen Erfolgen auf dem Platz. Und außerhalb. Beliebt bei den Menschen auf der ganzen Welt. Darum höre ich auf die Stimme Keegans, die in meinem Innern das Wort ergreift und komische Dinge von mir verlangt.
Meine Reise nach Malaga, nach Las Brisas, zum Beispiel.
Darauf wäre ich alleine nie gekommen. Doch als Keegan mir die Idee zuflüsterte, wusste ich, dass ich sie befolgen muss. Nach seinem Abschied als Spieler – er wurde nach seiner letzten Partie gegen Brighton and Hove Albion in einem Hubschrauber vom St. James’ Park fortgeflogen –, was hat er da getan?
Hat er sich lässig auf eine Expertencouch gefläzt und über mittelmäßige Spieler abgelästert? Hat er direkt im Anschluss bei einem unterklassigen Verein den Trainerposten übernommen, um seine kostbaren Fußballersäfte zu regenerieren? Oder hat er einen Pub eröffnet? Eine Fitness-Studio-Kette gegründet?
Nein. Nichts davon.
Sondern? Er hat sich nach Malaga zurückgezogen, so wie El Cid und Bizets Carmen im spanischen Unabhängigkeits-Bürgerkrieg. Dort hat er an seinem Handicap gearbeitet. Denn laut Kevin Keegans Autobiografie von 1997 hat er sich ganz diesem Sport verschrieben und all seine
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