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Eva schläft - Melandri, F: Eva schläft - Eva dorme

Titel: Eva schläft - Melandri, F: Eva schläft - Eva dorme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesca Melandri
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Balkon über ihm und hatte sich eilig entfernt. Die junge Dame an seinem Arm, schmächtig und elegant, in einem Mäntelchen, das auch Audrey Hepburn hätte tragen können, fragte ihn:
    »Wer war denn die Frau?«
    »Welche Frau?«
    »Die mit dem kleinen Mädchen?«
    Und Hannes antwortete:
    »Ich habe kein kleines Mädchen gesehen.«
    3 Uhr 45.
    Auf einem Kontrollgang zu den um das Gebäude herum eingerichteten Wachposten erreichte ich um 3 Uhr 25 auch den Posten 6 Nordwest, der nach Wachplan …
    Sein Federhalter schrieb nicht mehr, offenbar war die Tinte hart geworden. Wie ein Fieberthermometer steckte er ihn sich unter die Achselhöhle. Es würde einige Minuten dauern, bis sich die Tinte so weit erwärmt hatte, dass er weiterschreiben konnte. Trotz Wollhandschuhen konnte er seine Finger kaum noch bewegen.
    Der Vicebrigadiere hatte kein Holz nachlegen wollen. Zum einen war der Holzstapel an der Außenmauer des alten Kastens der Finanzpolizei schon merklich abgeschmolzen, und zum anderen, und das war der Hauptgrund, hätte er beim Raus- und Reingehen Lärm gemacht, und er wollte seine schlafenden Männer um keine einzige Minute der Viertelstunde Schlaf bringen, die ihnen zustand. Aber Herrgott, war das kalt! Eine Kälte, die sich kein Mensch vorstellen konnte, der sie nicht selbst erlebt hatte. Wie sollte man jemandem, der in Reggio Calabria lebte, diese Kälte beschreiben?
    Zum ersten Mal hatte er es versucht, als er auf Urlaub zu Hause war (achtundvierzig Stunden Hin- und Rückfahrt im Zug, zweiundsiebzig Stunden im Kreis der Familie):
    »Die Finger, die Füße, das Gesicht, alles fühlt sich wie verbrannt an, aber nicht von Hitze, sondern durch diese Kälte.«
    »Verbrannt?«, hatte seine Mutter verwundert nachgefragt.
    Es war zwecklos. Hier oben im Norden war der Winter wie das Meer, das man auch niemandem beschreiben konnte, der es nicht selbst kannte. In der vorigen Nacht war das Thermometer auf minus dreiundzwanzig Grad gefallen. Aber am schlimmsten waren nicht die Stunden in tiefster Nacht. Auch wenn der Wind einen draußen vor der Tür so brutal wie ein Tritt mit einem Bergschuh im Gesicht traf und das Heimweh durch die Dunkelheit verstärkt wurde, war die Nacht mit den Sternen, die wie Edel steine glitzerten, und dieser Stille, die alles überwölbte wie die Kuppel einer Kirche, gar nicht so unerträglich . Schlimm war das Morgengrauen, das das Versprechen von Sonne und Wärme mit sich brachte, es dann aber nicht hielt, dieses feuchte graue Licht, das tiefer noch als zuvor in die Knochen kroch und die Glieder zusammenzog.
    Schlimm war es, einem neunzehnjährigen Aushilfscarabiniere, der vor Einsamkeit keines klaren Gedankens mehr fähig war, dazu zwingen zu müssen, sich in der Kälte das Gesicht zu waschen. Er selbst war Unteroffizier der Carabinieri, hatte die entsprechende Schule besucht und war vorbereitet worden. Doch diese jungen Kerle nicht, diese süditalienischen Wehrpflichtigen aus Salemi, Sibari oder Bisceglie, die hielten es nicht aus, monatelang auf zweitausend Metern zu leben, ohne auch nur einmal ins Tal hinunterzukommen.
    Gewiss, auch für ihn war es hart gewesen, als er nach Alto Adige kam.
    Den Deutschkurs für Unteroffiziere hatte er freiwillig besucht. Es reizte ihn, eine fremde Sprache zu lernen, ihn, der noch nicht einmal Italienisch, nur Kalabrisch sprach, als er eingeschult wurde. Und es war ihm noch nicht einmal allzu schwergefallen; jedenfalls hatte er die Lehrerin nicht derart zur Verzweiflung gebracht wie dieser Kamerad aus Bari, der auf die Frage »Wie alt bist du?« wie aus der Pistole geschossen »Ein Meter dreiundsechzig« antwortete. Alto Adige war der richtige Ort, um dem in Gefahr geratenen Vaterland zu dienen, davon war er überzeugt und am Ende der zweijährigen Ausbildung, nach der Vereidigung, stolz darauf, nun zu seinem ersten Einsatz aufzubrechen.
    Die erste Enttäuschung erlebte er in der Kaserne in der Nähe von Meran. Nichts funktionierte, weil man auf einen solchen Ansturm von Soldaten nicht vorbereitet war. Im Hof wucherte das Unkraut, die Gemeinschaftssäle waren verdreckt, und der Putz blätterte von den Wänden. Und dann hundert Männer mit all ihren Ausdünstungen in einem Raum zusammengedrängt und nur ein Vorhang, der ihn und die anderen Carabinieri von den Alpini trennte. Eine Küche gab es nicht, das Essen wurde auf großen Feldkochherden zubereitet, die nach Diesel stanken, auch von einer Kantine keine Spur, man aß im eiskalten Flur aus denselben

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