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Ex

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Titel: Ex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ambrose
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Also machte sie sich pflichtgetreu an ihre Recherche über die UNO-Delegierten in New York, obwohl sie persönlich davon überzeugt war, daß es nicht lange dauern konnte, bis sie wieder uneingeschränkt an der Adam-Geschichte arbeiten würde.
    Seit dem gemeinsamen Abend mit Sam hatte sie ihre Eltern nur einmal gesehen, allerdings allein. Denn bei ihrem letzten Besuch in der Stadt hatte Sam an einem Wochenendkongreß in Chicago teilgenommen, und danach waren Bob und Elizabeth Cross nach Europa geflogen. Sie wollten drei Monate in London, Paris und Rom verbringen. Seinem Arbeitgeber hatte Joannas Vater diesen Europatrip als eine kombinierte Dienst- und Urlaubsreise untergejubelt: ein kleiner Vorgeschmack auf den Ruhestand, wie er es ausdrückte. In den letzten Jahren waren sie immer öfter verreist. Da Joannas Vater bei einer Fluggesellschaft arbeitete, erhielten sie eine beinahe unbegrenzte Anzahl von Freiflugtickets sowie einen beträchtlichen Preisnachlaß in einigen der renommiertesten Hotels der Welt. Wie ihre Mutter meinte, sei dies das Schönste am Altwerden – man war weder zu arm noch zu beschäftigt zum Reisen, und trotzdem noch jung genug, um Spaß daran zu haben. Natürlich würde sie sich über Enkelkinder freuen, aber Joanna sollte sich deshalb nicht unter Druck gesetzt fühlen.
    Ein paar Tage nach Adams ersten Klopfzeichen – Joannas Aufregung darüber war noch nicht ganz abgeklungen – kam sie gegen sechs Uhr abends im Labor vorbei, um Sam abzuholen. Sie hatten vor, sich zuerst in einem kleinen Theater am Broadway ein Stück anzusehen und danach in einem neuen thailändischen Restaurant essen zu gehen. Kaum hatte sie das Labor betreten, erzählten ihr Sam und Pete aufgeregt, sie müßten ihr unbedingt etwas zeigen. Ein Freund von Pete aus der technischen Abteilung hatte das auf Band aufgezeichnete Tischklopfen analysiert. Wie sich herausgestellt hatte, unterschied es sich grundlegend von jeder anderen Art von Klopfgeräuschen. Joanna beugte sich über die Grafiken und Ausdrucke, die ihr wenig sagten, bis Pete ihr die wesentlichen Unterschiede erklärte.
    »Bei einem gewöhnlichen Klopfen«, erläuterte er, »wenn ich also mit den Fingerknöcheln, einem Hammer oder sonst einem harten Gegenstand auf den Tisch schlage, beginnt das Geräusch mit der maximalen Schwingungsamplitude und wird dann schwächer. Dieses Klopfen dagegen baut sich allmählich auf und endet mit der maximalen Amplitude. Es ist genau umgekehrt wie normal.«
    »Dasselbe wurde beim ›Philipp-Experiment‹ in Ontario festgestellt«, fügte Sam triumphierend hinzu. »Wir sind auf dem richtigen Weg.«
    Das Theaterstück war immerhin so interessant, daß sie es bis zum Schluß aushielten, und das Restaurant war es wert, das lange Warten auf einen Tisch in Kauf zu nehmen. Da sie in der Nähe waren, beschlossen sie, bei Sam zu übernachten. Als sie im Taxi saßen, wurde Sam schweigsam, und Joanna spürte, daß sich seine Stimmung veränderte. Er starrte in die Nacht hinaus, ohne zu merken, daß ihr Blick auf ihm ruhte. Es war einer seiner geistesabwesenden Augenblicke, die Joanna zu akzeptieren gelernt hatte. Kaum eine Minute später war er wieder ganz da, doch als er sich zu ihr umdrehte, schien es, als wäre er aus tiefem Schlaf erwacht und erstaunt, daß ein geliebter Mensch an seiner Seite wachte. Er nahm Joannas Hand.
    »Und…?« meinte sie leise.
    Er zuckte die Achseln. »Nur die übliche Frage: Worauf läuft das alles hinaus? Und wenn es auf gar nichts hinausläuft, warum existiert es dann?«
    »Ich dachte, Wissenschaftler fragen nicht nach dem Warum, sondern nur nach dem Wie.«
    »Ich weiß. Aber wie Roger gern betont, sind an seinem Pol der Wissenschaft der Mikrochip und die Teflonpfanne erfunden worden. Wir dagegen sind von einer Erklärung des Übersinnlichen noch immer fast genausoweit entfernt wie William James im Jahr 1910. Er hat etwas geschrieben, was ich mir nie einprägen mußte, weil ich es schon nach dem ersten Lesen nicht mehr aus dem Kopf bekam.«
    Einen Augenblick hielt er inne, und sein Blick schweifte wieder über das nächtliche Manhattan.
    »›Ich bekenne‹«, zitierte er leise, »›daß ich mich zeitweilig zu der Annahme verleiten ließ, der Schöpfer habe diesen Bereich der Natur so gestaltet, daß er für immer wundersam bleibt und in uns gleichermaßen Neugier, Hoffnungen und Mutmaßungen weckt; wenngleich also Geister und Hellsichtigkeit, Klopfgeräusche und Botschaften aus dem Jenseits wohl immer wieder

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