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Exil - Wartesaal-Trilogie ; [3]

Exil - Wartesaal-Trilogie ; [3]

Titel: Exil - Wartesaal-Trilogie ; [3] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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daraus machten, gegen Konventionen zu verstoßen, wenn diese sie ernstlich störten. Was Spitzi überraschte, war, daß ihre Bindung schon so lange dauerte; das war ja geradezu eine Ehe.
    Er hatte noch keine Ahnung, wie, aber er war sicher, daß er diese seine Entdeckung einmal gegen Wiesener werde ausspielen können. Er verbarg nicht sein Vergnügen und wurde zu Raoul noch freundschaftlicher, aufgeschlossener. Übrigens hegte er ehrliche Sympathie für den Jungen.
    Der rückte jetzt heraus mit seinem Projekt des großen Jugendtreffens. Es sei, meinte er, schade, daß in allen Ländern so viele verkalkte und vergreiste Menschen an der nationalen Bewegung herumpfuschten. Nationalismus sei eine Sache der Jugend, sie müsse vorwärtsgetrieben werden von jungen Menschen. Durch Raouls Pose hindurch brach Glaube und Begeisterung.
    Spitzi erkannte sogleich, daß sich aus dem Projekt des Jugendtreffens eine Waffe gegen Wiesener werde schmieden lassen. Bestimmt werden, wenn ein Herr de Chassefierre bei diesem Jugendtreffen auftaucht, die »P. N.« ihre Angriffe gegen Lea und Wiesener erneuern. Der gute Wiesener wird es zu spüren bekommen, daß er sich übernommen hat, als er die Attacke gegen die »P. N.« so siebenschlau dehnte und übertiftelte. Er wird in die selbstgegrabene Grube fallen.
    Schwungvoll also stimmte Gehrke Raoul zu. Den Arm um die Schulter des Jungen, ging er mit ihm auf und ab und erörterte mit ihm die Details. Sie besprachen Raouls Plan, wiezwei naseweise Schulkameraden einen Streich aushecken gegen einen unbeliebten Lehrer.
    Vertraulich, im Lauf der Unterhaltung, fragte Spitzi, warum sich denn Raoul wegen seines Jugendtreffens nicht an Wiesener wende, der doch mit dem Hause Chassefierre so befreundet sei. Raouls grüngraue Augen verdunkelten sich, er schluckte ein wenig, bevor er erwiderte: »Ach, Monsieur Wiesener«, antwortete er gezwungen leicht und zuckte die Achseln. »Er verspricht alles, was Sie wollen. Aber dann hat er tausend Geschäfte und vergißt, was er Ihnen versprochen hat.« Herr von Gehrke wußte genug. Raoul hatte sein Glück bei Wiesener versucht und war abgeblitzt; die Gründe lagen auf der Hand. Es konnte gar nicht besser gehen.
    Spitzi lächelte, strahlte, führte seine ganze freche Liebenswürdigkeit ins Treffen. Raoul bewunderte den Hochmut, wie er die Nase schräg nach oben rückte, ein wenig schnüffelnd, wie er Gegner, Widerwärtigkeiten, Bedenken mit einer winzigen Handbewegung abtat.
    Er verspreche gar nichts, scherzte, als Raoul sich zum Gehen anschickte, Herr von Gehrke; er sei nicht wie sein Freund Wiesener. Aber, faßte er das Ergebnis der Unterredung zusammen, er sei bereit, Raoul nach Kräften zu helfen. Der Elan, den Raoul bezeige, habe etwas Mitreißendes. In den allernächsten Tagen schon werde er mit dem Parteigenossen Heydebregg über Raouls Plan reden. »Wir werden das Kind schon schaukeln«, lachte er, und: »Nennen Sie mich nicht Baron, lieber Raoul«, bat er zum Abschied, »nennen Sie mich Spitzi.«
    Als Spitzi zu Heydebregg kam, schien der ganz mit sich beschäftigt; die weißlichen Augen starrten noch abwesender als gewöhnlich aus dem wuchtigen Schädel. Berlin hatte bei ihm angefragt, wie lange er noch in Paris zu bleiben gedenke, und angedeutet, man halte gegebenenfalls eine andere wichtige und ehrenvolle Aufgabe für ihn bereit. Was sollte er erwidern? Waren seine Geschäfte in Paris erledigt? Ja und nein. Es wareine Frage, die er nur mit seinem Gewissen auszumachen hatte. Er hatte manches erreicht; aber alles war noch im Gang, nichts vollendet.
    Es fing an, heiß zu werden, und Madame de Chassefierre hatte davon gesprochen, daß sie daran denke, ihre Besitzung bei Arcachon aufzusuchen. Sie pflegte Freunde dorthin einzuladen und hatte auch ihn aufgefordert, zu kommen. Er war sich noch nicht schlüssig geworden, ob er nach Deutschland zurückkehren, in Paris bleiben oder nach Arcachon gehen sollte.
    Spitzi hatte seit der Unterredung mit Raoul seine frühere Sicherheit wiedergewonnen; sieghaft, jungenshaft saß er vor dem schweren Heydebregg. Der deutete behutsam an, er werde vielleicht in absehbarer Zeit Paris für immer verlassen. Spitzi spielte den Betretenen, protestierte bescheiden und doch dringlich. Es bleibe so viel zu tun, was ohne die Anwesenheit des Parteigenossen in Paris nicht getan werden könne. Wenn wirklich eine Persönlichkeit wie Heydebregg ausschiede, wie erschwert würden da zum Beispiel die von Berlin gewünschten Versuche, dem Quai

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