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Feenring (German Edition)

Feenring (German Edition)

Titel: Feenring (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Robertson
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allem, wenn sie durch Beaus Talisman noch verstärkt wurde. Ich musste gründlich nachdenken, bevor ich erneut in Aktion trat.
    * * *
    Das Dirty Dog war geschlossen und dunkel. Johnny lenkte die Night Train in eine enge Gasse und stellte die Maschine hinter der Gaststätte ab. Ich stieg ab und folgte ihm. Drinnen marschierten wir wieder die schmale Treppe hinauf und näherten uns der Tür.
    Diesmal mussten wir nicht erst anklopfen; die Tür stand sperrangelweit offen. Eine Tischlampe erhellte das hohe Zimmer, ohne es jedoch freundlich oder gemütlich machen zu können. Das Zimmer war tagsüber, während unseres letzten Besuchs, dunkel gewesen, doch jetzt, bei Nacht, offenbarte die eine Lampe, was die Sonne verborgen hatte. Der Anblick war beschämend: Staub bedeckte den Kamin wie eine dichte Hülle; in der Luft schwebten Rußpartikel wie Weidenkätzchen, und das Sofa erwies sich bei Licht nicht als üppig gemustert, sondern als fadenscheinige Monstrosität.
    In das Aroma von Wachholder und Ambra mischte sich etwas anderes, beinahe Antiseptisches.
    Hector saß auf der Couch und blickte zu Boden. Er nahm uns nicht wahr, nicht mal, als wir schon vor ihm standen. Neben seinen zerrissenen, schmuddeligen Turnschuhen stand eine offene Flasche. In der Hand hatte er ein Saftglas mit Eis und einer klaren Flüssigkeit darin. Ich hatte den Desinfektionsgeruch aufgespürt. Das Etikett war auf der anderen Flaschenseite, trotzdem hatte ich Gin erkannt.
    »Ist er … ?«, fragte Johnny.
    Aus dem Raum hinter den Schiebetüren drangen Stimmen, allerdings nicht von Lebewesen … ich erkannte das Coca-Cola-Jingle. Also Radio oder Fernsehen. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass eines von beiden auch in einem Raum mit einem Toten weiterdudeln würde.
    Hector schüttelte den Kopf. »Nein. Ich kann nur … Ich kann nicht da drin bleiben.« Seine Stimme klang matt.
    Johnny ging vor dem großen Mann in die Hocke. »Aber ich brauche dich dadrin. Ich will, dass du zuschaust.«
    »Du willst … ?« Hector schluckte, starrte aber weiter eine bestimmte Stelle auf dem Fußboden an. Dann schüttelte er wie ein Schwerverbrecher mit nervösen Zuckungen den Kopf und sah rasch auf. »Ich kann nicht zusehen.« Johnnys Blick wich er aus.
    »Hector. Du musst es sehen. Du musst die anderen informieren.«
    Wieder schüttelte er den Kopf. »Todd ist es, der überzeugt werden muss.«
    »Wir haben keine Zeit zu warten, bis … «
    »Er ist schon da. Er weiß, dass ich dich benachrichtigt habe.«
    Johnny erhob sich. »Wenn er … «
    »Keine Sorge«, antwortete Hector. »Ich habe ihm gesagt, dass er nicht lebend hier rauskommt, wenn er sich an Ig vergreift.« Jetzt hob er erstmals den Blick vom Boden, seine Augen richteten sich auf Johnny. »Ig wollte dich, und du wirst es sein.«
    Johnny nickte. Er ging zu der Schiebetür, holte tief Luft und öffnete. Als er eintrat, verstummte der Fernseher. Hector trank aus.
    Ich wollte das Zimmer durchqueren, doch Hectors leise Stimme hielt mich auf. »Auf welcher Seite stehen Sie?« Als ich nicht schnell genug antwortete, fügte er hinzu: »Ich war vorhin dadrin.« Er wies mit dem Ellbogen auf die Schiebetür. »Da habe ich die Nachrichten gesehen. Können sich Johnny und das Rudel, das er übernehmen wird, auf Ihre Treue verlassen? Oder die Blutsauger?«
    Ich hielt die Antwort »beide« für wenig überzeugend, also beschloss ich, lieber klarzustellen, was nicht der Fall war, weil ich damit mehr zu erreichen hoffte. »Ich bin keiner Seite verfeindet.«
    »Mit wem sind Sie dann verbündet?«, bohrte er weiter.
    »Mit der Gerechtigkeit.«
    Aus dem Schlafzimmer hörte ich: »Keinen Schritt näher!«
    Ich ließ Hector stehen, trat ein und sah Johnny und einen zweiten Mann einander anfunkeln. Der andere – offenbar Todd – stand zwischen Johnny und Igs Bett. Alles an ihm, von seiner Körpersprache bis zu seinem griesgrämigen Blick, schrie förmlich seine Wut heraus. Rotblond, breit und gebaut wie ein Schläger sah er aus wie ein Profiringer, bei denen allerdings normalerweise eine Mindestgröße galt. Aber Todd maß mit Schuhen vielleicht eins fünfundsechzig. Offenbar kompensierte er die geringe Körpergröße mit seinen Muskelpaketen. Seine Blicke flitzten umher, unverständlich, hinterlistig, mit einem Anflug von Bösartigkeit und Unberechenbarkeit.
    »Ich habe mir jahrelang den Arsch für ihn aufgerissen, während du den beschissenen Rockstar gemimt hast. Doch ungeachtet deiner unvergleichlichen Verantwortungslosigkeit

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