Feindfahrt
zwei Besatzungsmitglieder über Bord wusch.
Harry Jago war schon losgelaufen. Er stürzte sich in die Bran dung , griff blindlings nach einer gelben Ölhaut. Neben ihm tauchte, die Augen geschlossen, den Mund aufgerissen, Francis Pattersons Gesicht auf. Und dann waren andere neben ihm, alle bis zur Brust im eiskalten Wasser; Admiral Reeve, mit seinem gesunden Arm rudernd, die schwarze Klappe hochgerutscht, so daß man die leere Augenhöhle sah. Jago drehte das gelbe Öl zeug um, sah, daß es James Sinclair war, und schleifte ihn durch die Brandung an Land, wo sich ihm hilfsbereite Hände entgegenstreckten.
Die nächsten Minuten waren ein wirres Durcheinander von Rufen und Schreien, während die Mo rag Sinclair von jeder nachfolgenden Woge weiter durch die Brandung geschoben wurde. Eine Leine wurde geworfen , noch eine , m ehrere Leute kamen vom Bootshaus herunter und brachten neue Leinen. Jago zog und zerrte aus Leibeskräften , m it vor Anstrenung ge beugtem Rücken , neben ihm in der Brandung Lachlan und Reeve. Dann hielt er einen Moment inne , um neue Kräfte zu sammeln. Zu seinem Erstaunen entdeckte er an der Nachbar leine etwa ein Dutzend Frauen , denen das Wasser die Röcke um die Taillen wirbelte.
Der Wind peitschte ihm Sand ins Gesicht. Er schloß die Augen und zog weiter , obwohl ihm das Seil in die Schulter schnitt. Dann lag er plötzlich auf Händen und Knien. Als er diesmal die Augen öffnete und unter Schmerzen den Kopf drehte , sah er , daß alle anderen Helfer mehr oder weniger in derselben Lage waren wie er; und daß die Mo rag Sinclair, auf der Seite lie gend , heil und sicher im Sand ruhte.
Jago und Reeve rappelten sich auf. An der Reling erschien Murdoch. Er war blaß , sein Gesicht schmerzverzerrt. »Alles in Ordnung?« rief Reeve hinauf.
»Ich hab' was abgekriegt , als wir querschlugen. Aber es ist nicht weiter schlimm.«
Jago umkreiste das Boot aufmerksam. »Nur ein paar oberfläch liche Schäden. Aber die Schrauben sind intakt.«
»Na , wenigstens etwas«, meinte Reeve. »Gott sei Dank haben wir kein Menschenleben verloren, und das ist wahrhaftig ein Wunder.« Murdoch hakte die Leiter ein und kam unbeholfen heruntergeklettert. Sein linker Arm hing merkwürdig am Kör per.
Als der Alte plötzlich schwankte, war Jago sofort neben ihm, um ihn zu stützen. »Fehlt Ihnen auch wirklich nichts?« Murdoch stieß ihn weg. »Da draußen ist ein Schiff in Seenot; es hat Frauen an Bord, und wir können nichts tun!«
Jago hörte, wie jemand sagte: »Wir haben immer noch die Dead E nd .« Und erst später wurde ihm klar, daß er es selbst war, der das gesagt hatte.
Janet verließ Murdoch, der erschöpft auf dem Bett lag, zog leise die Tür hinter sich ins Schloß und ging ins Wohnzimmer. Gericke saß am Funkgerät, Reeve und Jean neben ihm. Der Admiral drehte sich um. »Na, wie geht's ihm?«
»Er hat sich den Arm gebrochen. Ich habe ihn provisorisch geschient und ihm eine Schmerzspritze gegeben. Jetzt müßte er eine Weile schlafen. Und wie sieht's hier aus?«
»Gar nicht gut. Unser Funkkontakt mit Necker ist abgerissen. Wahrscheinlich ein Gewittersturm.«
Gericke versuchte im Hintergrund noch immer, die Verbindung wiederherzustellen; er sprach eindringlich ins Mikrophon. »Bitte kommen, Necker. Bitte kommen!«
Und dann kam tatsächlich Neckers Stimme - sehr schwach, aber immerhin so klar, daß das Drängen in seinem Ton nicht zu überhören war. »Gericke? Hier Necker. Ich versuche Sie seit einer halben Stunde zu erreichen. Was ist los?«
»Wir hatten keine Verbindung mehr«, erklärte Gericke. »Zu
viel Störungen. Hier hat sich eine Verzögerung ergeben. Das Rettungsboot konnte nicht auslaufen, aber jetzt läuft ein Kano nenboot von Mary's Town aus. Bitte letzte Position bestäti gen.« Nachdem Necker die Daten durchgegeben hatte, fuhr Gericke fort: »Was ist mit der Deutschland? Haben Sie noch Kontakt?«
»Nur schlecht. Das Signal ist sehr schwach. Wir müssen also
noch eine Stunde warten, wie?«
»Ich fürchte ja.«
Gericke hatte die Positionsdaten der Deutschland auf einem Zettel notiert, den er nun Admiral Reeve zuschob. Der Admiral steckte ihn in die Tasche. »Ich gehe jetzt zu Jago runter.« Er wollte zur Tür, aber Jean packte ihn beim Ärmel. »Wirst du auch bestimmt keine Dummheiten machen und etwa mit raus fahren, Carey?«
»In meinem Alter?« Er grinste und gab ihr einen flüchtigen Kuß. »Das ist nicht dein Ernst, Liebling.«
Dann verließ er eilig das Zimmer. Man sah
Weitere Kostenlose Bücher