Feist Raymond E. - Krondor Saga 01
ebenfalls. Sollte Delekhan irgendetwas zustoßen, bevor er die Stämme vereinigt
hat, wird sich jede Vereinigung zerschlagen, die er
bis dahin möglicherweise zustande gebracht hat.
Selbst seiner Frau und seinem Sohn traut er nicht
so ganz, und das aus gutem Grund. Seine Frau ist
Anführerin der Hamandier, der Schneeleoparden,
eines der mächtigsten Clans nach Delekhans, und
die Ambitionen seines Sohnes sind offensichtlich.«
»Klingt ganz nach einer glücklichen Familie«,
bemerkte Owyn.
Gorath kicherte bei diesen Worten;seine Stimme
klang ironisch. »Mein Volk traut selten denen, die
nicht zu ihrer eigenen Familie, ihrem Stamm
oder Clan gehören. Alles andere sind politische
Allianzen, und manchmal sind sie so flüchtig wie
Träume. Wir sind nicht gerade ein vertrauensseliges Volk.«
»So habe ich es auch empfunden«, meinte James.
»Aber das sind wir ja im Grunde auch nicht gerade.« Er erhob sich langsam. »Entschuldigt mich
einen Augenblick. Ich bin gleich wieder zurück.«
Er ging an der Kellnerin vorbei, die ihn ignorierte, als sie das Bier an den Tisch brachte, was Owyn
dazu zwang, mit einem ergebenen Grinsen das
Bier aus seiner mageren Geldbörse zu bezahlen.
Gorath fand das sehr erheiternd.
James trat zu einem Mann, der aus dem hinteren
Zimmer hervorgekommen war; seine dunkle Haut
und der Bart kennzeichneten ihn als jemanden, in
dessen Adern keshianisches Blut floss. »Kann ich
Euch helfen?«, fragte er mit abschätzendem Blick.
Dem Akzent nach war er noch in Kesh geboren
worden. Er war dünn und gefährlich – wie James
vermutete –, und wenn der kurz geschnittene Bart
auch schon ergraute, war er wahrscheinlich doch
noch kräftig genug, um einen tödlichen Gegner
abzugeben.
»Seid Ihr der Besitzer dieser Schenke?«, wollte
James wissen.
»Ja, das bin ich«, antwortete der Mann. »Ich bin
Joftaz.«
James senkte die Stimme. »Ich vertrete hier die
Interessen von Leuten, die in letzter Zeit besorgt
den Rückgang ihrer Geschäfte verfolgen. Es gibt
Schwierigkeiten, die mit den Aktivitäten von
Männern zusammenhängen, die vor kurzem in
Romney und im Westen gewesen sind.«
Joftaz musterte James argwöhnisch. »Warum erzählt Ihr mir das?«
»Ihr lebt an einem Ort, an dem viele vorbeikommen. Ich dachte, Ihr hättet möglicherweise etwas
gehört oder gesehen.«
Joftaz lachte derart übertrieben fröhlich, dass
es ganz und gar nicht überzeugend wirkte. »Mein
Freund, in meinem Beruf und angesichts der
Tatsache, wo wir uns befinden, ist es nur in meinem Interesse, nichts zu hören, niemanden zu bemerken und wenig zu sagen.«
James betrachtete den Mann einen Augenblick.
»Gewisse Informationen wären von einigem Wert.«
»Von wie hohem Wert?«
»Das hängt von den Informationen ab.«
Joftaz blickte sich um. »Das falsche Wort ins
falsche Ohr gesprochen kann für einen Mann das
Ende seines Lebens bedeuten.«
»Nicht nur ein Dolch hat eine Spitze«, erklärte
James. »Ihr auch.«
»Auf der anderen Seite benötige ich gerade Hilfe
in einer äußerst heiklen Angelegenheit, und für
den richtigen Mann könnte ich mich möglicherweise an ein paar Dinge erinnern oder an ein paar
Gesichter, die ich kürzlich gesehen habe.«
James nickte. »Kann dieser heiklen Angelegenheit
womöglich mit einer bestimmten Summe Gold abgeholfen werden?«
Joftaz lächelte. »Ich mag Eure Art, junger Mann.
Wie darf ich Euch nennen?«
»Ihr könnt mich James nennen.«
Einen Augenblick flackerten die Augen des
Wirtes heftig. »Und Ihr seid aus …?«
»Jetzt kommen wir aus Sloop, davor waren wir in
Romney«
»Dann sind also die Männer, die Ihr sucht und
die kürzlich in Romney waren, in irgendeine Sache
dort verstrickt?«
»In irgendeine Sache, ja, aber bevor wir über das
reden, was ich wissen muss, möchte ich den Preis
dafür erfahren.«
»Dann, mein Freund«, antwortete Joftaz, »sind
wir wohl in eine Sackgasse geraten, denn ich kann
Euch nicht ein bisschen von meiner Not erzählen,
ohne Euch von meiner ganzen Not zu erzählen.
Wie heißt es doch so schön: alles oder nichts.«
James lächelte. »Ich bin zutiefst verletzt, Joftaz.
Was muss ich tun, um Euer Vertrauen zu gewinnen?«
»Sagt mir, wieso Ihr diese Männer sucht.«
»Ich suche sie nur aus einem einzigen Grund:
Sie sind ein Glied in einer Kette. Sie könnten mich
zu einem anderen führen, einem, mit dem ich eine ernste Angelegenheit zu regeln habe. Er steckt
hinter Mord und Verrat, und ich werde ihn dem
Henker
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