Feist, Raymond E. - Krondor Saga 02
Bursche war und durchaus in der Lage, sich selbst zu verteidigen. Vermutlich würde auch Gordon sich als zäh herausstellen, wenn auch auf seine eigene Weise. Abgesehen davon war Treggar lange genug als unverheirateter Offizier am Hof; er würde wissen, was er sich in der Offiziersmesse leisten konnte und was nicht. Der Rangälteste der Messe zu sein, mochte Privilegien bieten, aber es war auch eine Verantwortung damit verbunden, und wäre Treggar wirklich durch und durch schlecht, hätte ihn Gardan wohl schon vor langer Zeit vom Hof entfernt. Eines nämlich wusste James ganz genau: Nichts war so banal, dass es lange Zeit der Aufmerksamkeit Aruthas und des Hofmarschalls entging. Probleme wurden rasch entdeckt und irgendwie gelöst.
Als James durch das Tor schlüpfte und eine Wache ihm beiläufig salutierte, dachte er daran, wo er zuerst Halt machen würde. Abrupt blieb James stehen. Er hatte den Palast diesmal durch das westliche Tor verlassen, das einmal der Haupteingang gewesen war, jetzt jedoch nur noch für zeremonielle Ankünfte, Prozessionen aus der Stadt, Feiertagsrituale und Ähnliches benutzt wurde, während der größte Teil des Handels inzwischen durch das Hafentor und das östliche Tor geleitet wurde.
Ein großes Haus lag auf der gegenüberliegenden Seite des Platzes, der die westliche Grenze des Palastbereichs markierte. Zwischen dem Haus und dem Tor stand ein Brunnen von bescheidener Größe, aber er war alt und so etwas wie ein Wahrzeichen, denn er war der erste, der in der Stadt auf Befehl eines der ersten Prinzen errichtet worden war. James musterte das Haus eingehend. Es war ein großes Gebäude, dessen riesige Ausmaße von zahlreichen Innenräumen kündeten.
Seines Wissens war das Gebäude schon vor Jahren verlassen worden. James berichtigte sich – es war nicht verlassen worden, sondern nur unbenutzt gewesen. Von Zeit zu Zeit herrschte eine gewisse Betriebsamkeit um das Haus herum, wenn der Holzanstrich oder das Eisengitter erneuert wurde oder wenn die Steine der Außenmauer ersetzt wurden. Aber jetzt bereitete sich zweifellos jemand darauf vor, das Gebäude zu bewohnen.
»Was geht da vor?«, fragte er die Wache am Tor und deutete mit einem leichten Nicken in Richtung Haus.
»Ich weiß es nicht. Seit gestern fahren Wagen hin und her, Junker.«
Die Wache auf der anderen Seite des Tors schaltete sich ein. »Das Haus ist verschlossen, seit ich mich erinnern kann«, meinte der Mann. »Ich weiß nicht einmal, wem es gehört.«
»Es gehört dem Tempel von Ishap«, erklärte James.
Die beiden Männer warfen ihm einen erstaunten Blick zu, aber keiner fragte ihn, wie er darauf kam.
Es gehörte einfach zu ihm, dass er alles Mögliche über die Stadt wusste, und auch jetzt zweifelte keiner der beiden am Wahrheitsgehalt seiner Worte.
»Gewöhnlich bleiben sie unter sich«, murmelte er. »Ich frage mich, was das zu bedeuten hat.«
Die beiden Wachen wussten, dass diese Frage nur rhetorisch gemeint war und enthielten sich einer Antwort, während James das Rätsel um das Haus auf der anderen Straßenseite beiseite schob und sich dem alten Problem zuwandte: den Nachtgreifern.
Als James zwischen zwei Gebäuden wieder auftauchte, trug er weit weniger modische Kleidung als die, in der er sich noch beim Verlassen des Palastes gezeigt hatte. Er hatte verschiedene Verstecke in der ganzen Stadt und dort Kleidung, Waffen und Geld verborgen, um für eine Vielzahl von Bedürfnissen gerüstet zu sein. Für den Junker des Prinzen war es häufig notwendig, in der Menge nicht aufzufallen.
James bewegte sich durch das mittägliche Gedränge des Krämerviertels, nicht weit von dort entfernt, wo es sich unmerklich ins Armenviertel verwandelte. Niemand hätte diese Stelle auf einer Karte oder einer Urkunde gefunden, in der die verschiedenen Viertel der Stadt eingezeichnet waren, doch alle, die in Krondor lebten, wussten genau, wo das Marktviertel endete und das Dockviertel begann, wo das Hafenviertel zum Fischerviertel wurde und wie all die anderen inoffiziellen Bereiche aufgeteilt waren. Und James wusste nur zu gut, wie wichtig es auch für sein eigenes Wohlergehen und Leben war zu wissen, wo das eine Viertel endete und das andere begann.
Er überquerte die unverzeichnete Straße, die das Krämerviertel vom Armenviertel trennte, und als er Letzteres betrat, schienen die Straßen zu schrumpfen, schmaler und enger zu werden. Hohe Gebäude erhoben sich zu beiden Seiten und ließen kaum genug Platz, dass ein Karren
Weitere Kostenlose Bücher