Felix Castor: Ein Höllenhund kommt selten allein (German Edition)
real, dass es seltsam und fast ein wenig ärgerlich war, dass nichts Entsprechendes passiert war. Ich kam mir vor, als hätte es die Realität darauf angelegt, mir die Unzuverlässigkeit meines Bauchgefühls zu demonstrieren.
Aber falls tatsächlich ein scharfes Schwert über London hing, dann war es recht gut befestigt und entsprach vermutlich in jeder Hinsicht den in der EU gültigen Sicherheitsrichtlinien. Ich schlich den ganzen Tag durchs Haus wie ein von Hämorrhoiden geplagter Einsiedler und wartete darauf, dass sich dieses Weltuntergangsgefühl wieder einstellte. Aber das geschah nicht, und es fand auch keine Katastrophe statt. Am Ende blieb mir nichts anderes übrig, als mir ein paar alte Folgen von
Fawlty Towers
in einem Kabelkanal anzusehen, wobei ich jedoch zu lachen vergaß.
Pen trudelte am frühen Abend ein und traf mich im Keller, wo ich ihre beiden Raben, Edgar und Arthur, mit in Streifen geschnittener frischer Schafsleber fütterte …
»Das brauchtest du aber nicht zu tun, Fix«, sagte sie gerührt und drückte meine Hand – ein Fehler, da sie mit Blut und klebrigen Fleischfetzen besudelt war. »Es macht ihnen nichts aus, wenn ich mich ein wenig verspäte. Aber danke.«
»Ich habe immer Angst, dass ich ihnen irgendwann als Mahlzeit diene, wenn ich nicht darauf achte, dass sie glücklich und zufrieden sind«, maulte ich. »Sie sind ja schon fast so groß wie Aasgeier.«
Pen wirkte müde und nicht gerade glücklich. Gewöhnlich kam sie von den Rendezvous mit Doctor Feelgood zurück, als schwebte sie auf Wolken, daher war ich besorgt – und vielleicht auch ein wenig neugierig.
»Wie war deine Nacht?«, fragte ich und hob vielsagend die Augenbrauen.
Sie zuckte die Achseln und lächelte leicht. »Okay«, sagte sie. »Sie war … ja. Sie war okay.«
Ich wartete auf eine weitere Erklärung, und nachdem sie mir für ein oder zwei Sekunden in die Augen geschaut hatte, zuckte sie abermals die Achseln. »Dylan war müde«, sagte sie. »Er hatte eine anstrengende Schicht und musste in Ordnung bringen, was andere vermasselt hatten. Eigentlich hätte er heute gar keinen Dienst haben sollen, aber er sagte, er müsse arbeiten, nur für eine Stunde oder so – um einiges abzuschließen, was er gestern begonnen hatte. Er wollte sich nicht auf den Arzt verlassen, der ihn vertreten sollte. Daher ging ich auf dem Camden Market einkaufen, und er traf mich dort für ein spätes Mittagessen.«
»Warst du bei Rafi?«
»Ja. Wir waren heute Nachmittag dort. Aber er schlief noch.«
»Ich hab’s dir gesagt. Er wird total fit wieder aufwachen.«
Pen nickte düster – dann hellte sich ihre Miene sichtlich auf, als ihr ein anderer Gedanke kam. »Dylan sagt, er könnte vielleicht etwas verschreiben, das dafür sorgt, dass Asmodeus länger unter Kontrolle bleibt. Er möchte, dass ich mit Webb darüber rede, ihm Zutritt zu gewähren, damit er mit Rafi einige Tests durchführen kann.«
Ich runzelte die Stirn. »Einen Versuch wäre es wert«, sagte ich. »Ich dachte, du hättest erwähnt, er sei ein Knochenklempner.«
»Knochen und Gelenke«, korrigierte sie und sah mich ernst an. »Aber er hat ein Praktikum in Endokrinologie absolviert.«
Pen folgte mir, als ich ihr enges, tortenstückgroßes Badezimmer aufsuchte und meine blutigen Hände im Waschbecken abspülte: Ich versuchte, einem weiteren Vortrag darüber zu entgehen, wie wunderbar Dylan war – während der letzten Wochen Pens Lieblingsthema –, aber es sollte nicht so einfach sein.
»Er ist wirklich lieb«, sagte sie. »Man sollte eigentlich erwarten, dass er sich von Rafi fernhält, wenn man bedenkt – du weißt schon –, was er mir bedeutet. Aber er möchte mich nur glücklich machen.«
»Bitte ihn um einen Blanko-Rezeptblock, ehe dieses Gefühl vergeht«, riet ich ihr. Sie boxte mich gegen die Schulter, und ich steckte den Treffer mannhaft weg.
Ich hatte bereits auf die harte Tour erfahren dürfen, dass sarkastische Bemerkungen über Doctor Feelgood schreckliche Vergeltungsmaßnahmen zur Folge haben konnten. Es war in einiger Hinsicht seltsam, dass Pen sich mit ihm traf. Sie wurde gewöhnlich nicht durch materielle Reize angezogen, und Reichtum war für sie eher ein Zeichen für spirituelle Armut als für etwas Erstrebenswertes. Aber Dylans Wohlstand und Erfolg und rauchfarbener Lexus wurden durch die Tatsache aufgewogen, dass er ein Ovaten war – eine Art Jung-Zeremonienmeister in einem druidischen Ausbildungssystem, der ein Hohepriester des
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