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Felix Castor: Ein Höllenhund kommt selten allein (German Edition)

Felix Castor: Ein Höllenhund kommt selten allein (German Edition)

Titel: Felix Castor: Ein Höllenhund kommt selten allein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mike Carey
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entschieden, aber sie kennt meine Grenzen, daher hielt sie die Sitzung kurz und überschaubar.
    Sie drehte die Deck- und die Kreuzkarte – die beiden Karten in der Mitte – um. Zum Vorschein kamen ein auf dem Kopf stehendes Ass der Stäbe und der Gehängte. Pen blinzelte, offensichtlich überrascht und ein wenig beunruhigt über die Verbindung.
    »Das ist wirklich seltsam«, sagte sie.
    »Ein großer dunkler Fremder?«, riet ich.
    »Red keinen Quatsch, Fix. Es sind nur diese beiden Karten, dass sie zusammenliegen … sie bedeuten genau das, was du gerade sagtest. Spirituelle Energie – negative spirituelle Energie – in einer Art Wartezustand. Blockiert. Erstarrt. Eingesperrt.«
    Ich verkniff mir einen Kommentar, aber sie erwartete auch keinen. Sie drehte die Karte links unten um: der Bube der Schwerter, auch dieser auf dem Kopf stehend. »Eine Botschaft«, interpretierte Pen. »Neuigkeiten. Alle Buben-Karten bedeuten etwas Zukünftiges, etwas, das verkündet wird. Ich denke … weil die Karte auf dem Kopf steht … ist es ein Problem, das gar nicht oder auf falsche Art und Weise gelöst wird. Fix, wenn dich jemand bei irgendetwas um Hilfe bittet, dann sei vorsichtig. Überstürze nichts.«
    Die Karte unten rechts war der Tod selbst, was, wie wir alle wissen, nicht den Tod bedeutet. Pen setzte zu ihrem Vortrag über Veränderung und Wandel an, und ich vollführte die typische Geste des Schlussmachens, die so gerne von Aufnahmeleitern beim Fernsehen benutzt wird. »Dies ist eine weitere schlechte Kombination«, fuhr sie eigensinnig fort und ließ sich nicht zur Eile treiben. »Der Bube der Stäbe und der Tod. Vergiss meine Warnung, vorsichtig zu sein: Du wirst stolpern und auf die Nase fallen. Aber es ist nur die Basiskarte, nicht die oberste.«
    Pen drehte die Karte an der Spitze des Dreiecks um, und wir betrachteten sie. Gerechtigkeit. Immer wenn ich diese Waagschalen sehe, muss ich an Hamlet denken. »›Behandelt jeden Menschen nach seinem Verdienst, und wer ist vor Schlägen sicher?‹« Ich will keine Gerechtigkeit. Ich will mich schuldig bekennen, um endlich meine Ruhe zu haben.
    Pen sah mich an, und ich schüttelte den Kopf – aber der Kläger darf niemals das letzte Wort haben, auch wenn es nur eine Geste ist.
    »Die Dinge werden ins Lot kommen«, sagte sie. »Taten werden die Konsequenzen haben, die sie immer haben. Im Guten wie im Bösen.«
    »Welche?«, fragte ich. »Gute oder böse?«
    »Das wissen wir erst, wenn es geschehen ist.«
    »Lieber Gott, ich hasse diese Karten.«
    Pen verließ den spirituellen Weg und holte die Whiskyflasche hervor. Zumindest bei einigen Dingen waren wir einer Meinung.

3
    Harlesden ist wie Kilburn ohne seine malerische Schönheit – es ist der Tummelplatz jamaikanischer Gangster, denen ständig der Finger am Abzug juckt, räuberischer Minitaxifahrer, die ihre Wagen als Büros benutzen, und eines Riesenvolks Wildkatzen. Und Zombies. Aus irgendeinem Grund sammeln sich anscheinend diejenigen, die körperlich auferstanden sind, in großer Zahl in den verlassenen Straßen des zum Abriss freigegebenen Stonehouse Estate. Es ist eine Umgebung, in der sie optisch sehr gut zur Geltung kommen.
    Mein Büro befindet sich in der Craven Park Road gleich neben dem Grambas Kebab House – oder genauer, meine Tür befindet sich gleich neben deren Tür. Der eigentliche Raum, in dem ich meinem armseligen und gelegentlichen Gewerbe nachgehe, liegt im ersten Stock, direkt über Grambas’ ständig blubbernden Fritteusen. An schlechten Tagen deute ich diesen Anblick als eine ziemlich authentische Vorahnung der Hölle.
    An jenem Tag lautete die Aufschrift des Schilds über der Tür immer noch F. CASTOR ERADIKATIONEN , aber mittlerweile war das eine ziemlich dreiste Lüge. Ich war schon längst nicht mehr so frei und locker wie früher dabei, wenn es darum ging, Geister zu rösten. Ich konnte mich nicht einmal mehr daran erinnern, wann ich es das letzte Mal getan hatte, was insgesamt betrachtet, ja ganz gut war. Aber ein Mann braucht nun mal ein Handwerk, und Gott gab mir nicht die breiten Schultern oder das passende Gemüt für schwere Arbeit. Daher hatte ich einen Schritt gewagt, über den ich schon länger nachgedacht hatte – und es sah so aus, als sei dies der Tag, um es amtlich zu machen.
    Um zehn Uhr an einem regennassen Maimorgen hatte Grambas noch nicht einmal den ersten Döner aufgespießt. Ich klopfte an seine Tür und wartete, wobei ich mich fragte, ob er überhaupt schon wach war.

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