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Fenster zum Zoo

Fenster zum Zoo

Titel: Fenster zum Zoo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carola Clasen
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durch den Zoo wie ich früher mit meinen Eltern durch die Museen.«
    Kraft leckte sich die gezuckerten Finger ab und sagte stolz: »Ja, sie sind schnell.«
    »Es ist eine Schande. Du solltest deine Vaterpflichten ernster nehmen.«
    »Und wann soll ich das machen? Du hast gut reden.«
    »Wann kommt Rosa denn nach Köln?«
    »Ich weiß es nicht, Lorenz. Manchmal habe ich das Gefühl, sie will es nicht. Sie schiebt es vor sich her. Sie hat Ausreden, sie will ihren Chef nicht allein lassen, sie weiß nicht, ob sie hier einen Job finden kann, sie will die Kinder nicht ganz aus ihrer gewohnten Umgebung reißen und so weiter …«
    Muschalik war empfänglich für das Thema Liebe.
    »Sie arbeitet in einem Reisebüro, nicht wahr?«
    »Ja, stundenweise.«
    »In Köln gibt es Hunderte von Reisebüros. Mach ihr Köln schmackhaft. Arrangiere etwas.«
    »Ja, aber so einfach ist es nicht.«
    »Wieso?«
    »Sie sagt, sie hätte festgestellt, dass es keinen großen Unterschied mache, ob ich nun zu Hause wohne oder nicht. Ich wäre sowieso nie da und würde nur an meine Karriere denken.«
    »Hört sich kompliziert an.«
    »Ja, das ist es.

4. Kapitel
    Muschalik hatte sich bis zum 27. Juli mit Unterstützung der Zwillinge in Dr. Oetkers Standardwerk bereits bis zu den Soßen auf Seite 95 vorgearbeitet, nachdem er das Kapitel Suppen vollständig abgeschlossen hatte. Er hatte systematisch aus jeder Kategorie eine Suppe gekocht, eine Fleischsuppe, eine Gemüsesuppe und eine süße Suppe. Die Biersuppe war selbstverständlich für die Zwillinge tabu. Aber sie hatten nichts verpasst.
    Es schien, als hätte Kraft ihn als den idealen Babysitter entdeckt. Er hatte seine Kinder die ganze letzte Woche über in Köln behalten und fand, dass es sich gut für alle Beteiligten traf. Er wusste sie in sicherer Obhut, bei Muschalik konnte keine Langeweile in seinem neuen Lebensabschnitt aufkommen, und Rosa in Wiesbaden hielt ihn für einen guten Vater, der nicht nur an seine Karriere dachte. Die Zwillinge durften in Muschaliks Küche so viel Chaos anrichten, wie sie wollten. Wenn sie nicht mehr begehbar war, gingen sie in den Zoo, schauten den Elefanten bei der täglichen Dusche zu und passten die Fütterungszeiten der Seelöwen und Paviane ab. Bei Regen pressten sie im Aquarium ihre Nasen an dickes Panzerglas, hinter dem Krokodile und Piranhas lauerten, oder gingen im Regenwald auf Entdeckungsreise.
    Betty hätte sie gemocht, sie wäre stolz auf ihn gewesen. Aber immer öfter ertappte er sich bei dem Gedanken: Wann kommt Rosa nach Köln? Er hatte nichts dagegen, eine Übergangslösung für Krafts Familienprobleme zu sein, aber er wollte nicht der einfache Weg sein.
    Manchmal war Frau Kruse, Muschaliks Nachbarin, der rettende Anker. Sie nahm regen Anteil an seinen Kinderbesuchen, lieh gerne Zucker und Mehl und hatte viele Tricks parat, wenn ein Rezept nicht gelingen wollte.
    Frau Kruse hatte außer einem großen kölschen Herzen noch einen fetten, alten Kater, der Köbes hieß, den ganzen Tag unbeweglich auf der Fensterbank lag und über die Florastraße wachte. Köbes hasste Besuch. Wenn die Zwillinge an der Haustür klingelten, stellte er sich drohend auf und fauchte wie ein Panther, sodass Tim und Tom nicht wagten, die Wohnung zu betreten.
    Heute hatte Kraft die Zwillinge für den Nachmittag angekündigt, weil eine Dienstbesprechung im Präsidium auf dem Plan stand. Muschalik wollte mit ihnen zum ersten Mal auf den Nordfriedhof gehen, denn der 27. Juli war Bettys Geburtstag. Sie hätte wahrscheinlich gesagt, dass ein Friedhof nichts für Kinder sei. Aber gefreut hätte sie sich. ›Das wäre aber doch nicht nötig gewesen.‹
    So blieb ihm der Vormittag für den Zoo. Es regnete, wie er mit einem prüfenden Blick durch das Küchenfenster erkannte. Wieder einmal. Wo kommen nur all diese Wolken her, fragte er sich und nahm seinen karierten Knirps mit.
    Als er die Stammheimer Straße überquerte und die Häuserreihe hinunterblickte, fiel ihm plötzlich Frau Berta Heimbach wieder ein. Ob sie ihn wohl wiedererkennen würde? Sieben Jahre waren seit der Sache mit der Wohnung vergangen. Ob sie überhaupt noch lebte? Hatte sie vielleicht etwas gehört, in der Nacht, in der Ben Krämer starb? Warum war er nicht früher darauf gekommen sie zu besuchen und zu fragen?
    Als Muschalik vor dem roten Haus mit der Nummer 84 stand, sah er hoch. Es war schmal und hatte weiße Fenstersimse und Balkone. Das obere Stockwerk war ein Dachgeschoss mit zwei weißen Dachgauben

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