Ferien mit Biss
ihre Töchter herausfordernd an.
»Halbvampire«, sagte Daka.
»Was?«
»Wir sind zwei zwölfjährige Halbvampire.«
Elvira Tepes seufzte. »Und wenn schon!«
»El Virus, beruhige dich.« Mihai Tepes legte den Arm um seine Frau. »Dich haben die Vampire in all den Jahren doch auch nicht angerührt.«
»Ich hatte ja auch meistens dich an meiner Seite.« Elvira strich ihrem Mann kurz über den Arm. »Und außerdem habe ich mein Blut mit dem deinen vermischt. Ich rieche nicht mehr ganz so stark nach Mensch.«
Mihai Tepes brummte. »Aber immer noch unheimlich gut.«
»Mein Bruder hat recht, Elvira«, sagte Vlad Tepes.
Elvira zog die Augenbrauen hoch. »Dass ich gut rieche?«
»Nein. Doch. Ja, auch. Ich meine, dass du dir keine Sorgen um Helene machen musst. Daka und Silvania genießen ein außergewöhnlich hohes Ansehen in Bistrien. Ach, was sage ich: bei den Vampiren in der ganzen Welt. Seit sie damals die gefährliche Germania Dracona vom Grab des Vampirjägers geholt und somit die Vampirheit vorm Aussterben bewahrt haben, kennt jeder ihren Namen. Im Stadtrat wurde sogar diskutiert, ein Denkmal für sie zu errichten.«
»Ein Denkmal?«, sagte Silvania.
»Für uns?«, sagte Daka.
»Ja, aber ...« Vlad Tepes kratzte sich hinter dem Ohr. »Man hat beschlossen, das Geld doch lieber für eine neue Rennzeckenbahn auszugeben.«
»Sehen Sie, Frau Tepes«, sagte Helene. »Kein Vampir wird es wagen, mir zu nahe zu kommen.«
»Zumindest, solange wir in deiner Nähe sind«, sagte Silvania.
»Und das werden wir immer sein. Versprochen.« Daka fasste sich mit der flachen Hand an die Brust.
Helene nickte ihren Freundinnen zu. Plötzlich musste sie an Ludo denken. Ludo Schwarzer ging mit Helene und den Zwillingen in eine Klasse. Er war sehr eigenbrötlerisch. Sehr seltsam. Und inzwischen ein sehr guter Freund geworden. Ludo redete mit Geistern und konnte in die Zukunft sehen. Mittlerweile glaubte Helene das sogar. Daka und Silvania konnten fliegen – wieso sollte Ludo nicht hellsehen können? Obwohl er meistens ziemlich finstere Sachen voraussah. Zum Abschied hatte er Helene ganz lange in die Augen gesehen. Helene wäre beinahe schwindlig geworden. Dann hatte er ihre Hand genommen und ihr ins Ohr geflüstert: »Ohne Freundinnen bist du zwar nicht allein, aber in einer Gefahr, die du nicht erkennst. Nimm dich in Acht, Helene.«
Bei dem Gedanken daran lief Helene jetzt noch ein Schauer über den Rücken. Was meinte Ludo damit? Welche Gefahr? Und wieso erkannte Helene sie nicht? Vielleicht hatte Ludo sich auch einfach nur vertan. Seine Bilder aus der Zukunft waren manchmal etwas unscharf. Allerdings ... hatten sie bis jetzt letztlich immer gestimmt.
Eine feine Nase
S chlachter Sangrasa trat vor seinen Laden. Er wischte sich die blutigen Hände an der Schürze ab. Dann stemmte er sie in die Seiten. Der Abend hatte gerade begonnen. In den Budnyks regte sich Leben. Fledermäuse eilten mit Zeitungen und Briefen im Maul durch die Stadt. Die ersten S-Bahnen ratterten über das Totenkopfpflaster. Eltern brachten ihre kleinen Vampire in die Vampirkrippe, den Vampirgarten oder sie flogen bereits selbst in die Schule.
Vor dem Budnyk gegenüber stand der alte Dudu. Er warf Schlachter Sangrasa eine Kopfnuss zu, dann hängte er sich seinen Bauchladen um und füllte ihn mit frischen Innereien. Wie jeden Abend hob er mit einem Schnaufen ab und stieß kurz darauf seinen altbekannten Werbeslogan aus: »Innereien von Dudu sind stärker als Voodoo! Ob Hirn, Kutteln, Euter oder Lunge, Dudus Innereien zergehen auf der Zunge.«
Neben dem Schlachterladen gingen die Rollläden des Lichtschutzfachgeschäftes hoch. In der Auslage standen Kübel mit Sonnencreme, Basecaps mit dunklem Schleier am Schirm und Schutzmasken, die den gesamten Kopf umhüllten. Im Budnyk schräg gegenüber öffnete die Tierhandlung. Ein Schild im Schaufenster verkündete, dass frische Blutegel und Wadenstecher eingetroffen waren.
Schlachter Sangrasa wollte sich gerade seinem Schaufenster zuwenden und überprüfen, ob die Auslagen auch appetitlich aussahen, als ...
... als ihn etwas davon abhielt. Es war ein Geruch, der in der Luft lag. Ein Geruch, der die Nasenflügel des Schlachters zum Beben brachte. Ein Geruch, der ihm das Wasser im Mund zusammenlaufen ließ. Obwohl Herr Sangrasa gut zu Abend gegessen hatte. Es war der Geruch, der in jedem Vampir den Jagdinstinkt weckte. Der Geruch nach Mensch.
Schlachter Sangrasa fuhr sich mit der Zunge über die Eckzähne. Er
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