Feuerprinz
übersehen, dass er keine große Lust auf ein Gespräch mit ihr hatte. Überhaupt machte er den Eindruck, als hätte er lieber im Kreiseseiner Greife in einem Baum gehockt als mit ihr an einem warmen Feuer. »Elvens Greife wollten meinen Vater töten. Also kam Nona zu mir und bat mich, Dawon zu helfen. Das habe ich getan, nicht mehr und nicht weniger. Dass du bei ihm warst, wusste ich gar nicht.«
In Lin zerbrach etwas, wie die Stäbchen eines Fünfholzspiels. Sie hätte es wissen müssen, doch es aus Degans Mund zu hören tat weh. Noch immer liebte sie ihn gegen alle Regeln der Vernunft; dabei war es ihm nur um Dawon gegangen. Was mit ihr geschah, war ihm gleichgültig. Sie bohrte weiter. »Und … hat Nona etwas gesagt … über mich?«
Er löffelte ohne Unterlass seinen Brei und sah sie dabei nicht einmal an. »Sie kam zu mir, als du in der Oase gegen das Gift der Waldfrauen gekämpft hast. Sie sagte, dass du den dunklen Gott zum Gefährten genommen hast und er deine Eltern getötet hat, als du ihn verlassen wolltest … und jetzt seist du auf der Flucht vor ihm.« Seine Worte klangen unbeteiligt.
Lins Hoffnung, dass Degan ihr helfen würde, schwand langsam, aber sicher dahin. »Wirst du mir helfen, Engil von ihm zu befreien?«
Degan stellte die Schale beiseite, wischte sich mit der schmutzigen Hand über den Mund und sah sie kalt an. »Nein! Die Menschen kümmern mich nicht. Denn auch die Menschen kümmert nur ihre eigene Art.«
»Ein Teil von dir ist auch menschlich«, versuchte Lin ihn zu überzeugen.
Degan schüttelte wütend den Kopf. »Hör auf, mich überreden zu wollen. Ich habe mich längst entschieden, was ich bin.«
Lin stand auf und stieß dabei ihre leere Schüssel mit dem Fuß um. Die Reste des fettigen Breis liefen in die Flammen und ließen sie knistern. Sie war wütend, sie war verzweifelt, und sie wusstenicht mehr, was sie noch tun sollte. War denn letztendlich alles vergeblich gewesen?
»Du kannst nicht alles in dir verleugnen, was einmal menschlich war, nur wegen
ihr
!«, fuhr sie ihn an. »Xiria war ein Monster ohne Mitleid für andere! Sie ist seit über drei Jahresumläufen tot! Dieses Greifenweib – wird es niemals aus deinem Kopf verschwinden?« Sie hatte sich derart in Rage geredet, dass selbst Degan zu überrascht war, sie zu unterbrechen. Doch seine Blicke wurden düster … so düster, dass Lin spürte, dass sie zu weit gegangen war. Was, wenn sein Jähzorn durchbrach? Sie erinnerte sich an seine Raserei damals im Tempel, bei der er sie beinahe vergewaltigt hatte. Mit einem Mal erkannte sie die Gefahr. Sie musste raus aus der Hütte!
So schnell sie konnte fuhr sie herum und lief zur Tür. Die Waldfrau war bei Belamon hinter der Hütte. Sicherlich hatte sie ihren Streit gehört. Als sich ihre Hand auf die grobe Holztür legte, um sie aufzustoßen, war Degan jedoch schon hinter ihr und riss sie von der Tür fort. Mit einem wütenden Schnauben presste er sie an die Holzbohlenwand. In seinen Augen flammte rasender Zorn. »Warum hast du
sie
nicht gerettet? Du hättest Xiria retten können, du bist die Göttin! Aber du hast zugelassen, dass ich Xiria getötet habe, weil ich glaubte, ich hätte keine andere Wahl. Du wolltest sie aus dem Weg haben! Nona hat mir erzählt, dass Sala und du eins seid.«
Er raste vor Schmerz und Zorn, und in diesem Augenblick wünschte er sich mehr als alles andere, dass er sie damals hätte sterben lassen anstatt Xiria. Degan glaubte allen Ernstes, sie hätte sich gegen Xiria verteidigen können. Aufgeregt versuchte sie ihn vom Gegenteil zu überzeugen. »Das stimmt nicht, Degan. Ich habe keinerlei Macht …« In seinem Gesicht suchte sie nach irgendeinem Zeichen von Verständnis, fand jedoch keines.
Degans Hand legte sich um ihren Hals und drückte zu. Lin kämpfte um ihr Leben. Degan verlor die Kontrolle über sich, und ihre Versuche, sich von ihm freizukämpfen, führten nur dazu, dass er immer stärker ihre Kehle zuquetschte. Wo war nur die Waldfrau, wenn man sie brauchte? Schließlich gelang es Lin mit letzter Kraft, ihn von sich zu stoßen. Gierig sog sie Luft in ihre Lungen, dann schrie sie: »Deshalb behandelst du mich so … und deshalb verachtest du mich?« Sie spürte, wie ihr Tränen der Enttäuschung in die Augen schossen. Sie wischte sie fort und fasste sich. Mit ruhiger Stimme sprach sie weiter. »Du hast schon immer geglaubt, du bist der Einzige, dem Unrecht widerfährt, der Einzige, der leidet, und der Einzige, der ein Recht auf
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