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Fischland-Rache

Fischland-Rache

Titel: Fischland-Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corinna Kastner
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ersten Mal war ihr vollkommen egal, wer für Saschas Tod verantwortlich war. Paul hatte den Arm um ihre Schulter gelegt, und sie wünschte, sie wären nur zum Spaß auf Poel und könnten ewig so weitergehen. Die Welt hier war abgeschieden, weit weg von der Wirklichkeit, außer der leisen Brandung hörte man kein Geräusch. Mit einem Mal wuselte etwas vor Kassandras Füßen herum. Erschrocken hüpfte sie zur Seite, da erkannte sie, dass ein braun-weiß gefleckter Beagle mit ihr spielen wollte. Sie bückte sich, hob ein Stöckchen auf und warf es in Richtung See. Der Hund bellte, sprang begeistert in die Höhe und hechtete dem Stock hinterher. Es sah lustig aus, Kassandra musste unwillkürlich lachen. Der Beagle kam mit dem Stock angerannt und warf ihn auffordernd vor Kassandras Füße. »Du bist ja ein Anhänglicher«, sagte sie.
    Â»Bitte entschuldigen Sie. Er spielt gern.« Eine Frau in den Fünfzigern kam heran. »Ich hoffe, er hat Sie nicht belästigt.«
    Â»Gar nicht.« Kassandra bückte sich erneut nach dem Stock und warf ihn wieder in Richtung See. Der Hund war eine willkommene Ablenkung von ihren trüben Gedanken, wie eben bellte er, rannte los. Kassandra folgte dem Hund und bespaßte ihn weiter, während Paul mit der Frau ins Gespräch kam. Nach fünf Minuten ertönte ein scharfer Pfiff, der Hund hielt mitten im Spiel inne und stellte die Ohren auf, ließ das Stöckchen fallen und lief zu seinem Frauchen, ohne Kassandra noch eines Blickes zu würdigen. Frauchen tat das im Übrigen auch nicht, sondern stapfte mit weit ausholenden Schritten davon.
    Paul hatte die Hände in den Jackentaschen vergraben, er stand bewegungslos und sah Kassandra an. Auch sie rührte sich nicht, mit einem Mal schien die Distanz zwischen ihnen unüberbrückbar. Am liebsten hätte sie ihm dasselbe entgegengeschleudert wie Paul Heinz am Abend zuvor: Sag’s mir! Stattdessen setzten sie sich beide gleichzeitig in Bewegung und trafen sich in der Mitte.
    Â»Oben auf dem Steilufer, ein Stück hinterm Leuchtturm, wenn man von Gollwitz kommt.« Paul deutete mit einer Kopfbewegung hinauf. »Die Dame war am Ende etwas böse, dass ich sie dazu verleitet hatte, über Dinge zu sprechen, über die man hier nicht spricht.«
    Â»Die Klinik?« Ganz unvermutet spürte Kassandra den Jagdinstinkt.
    Paul nickte. »Niemand wollte sie so richtig, dann wurde sie unter strengsten Auflagen doch gebaut: kein Pressewirbel, weder zur Eröffnung noch später, keine Berichte über Promis. Es scheint zu funktionieren, und so hat jeder was davon. Die therapieren alles: Drogen-, Medikamenten- und sogar Spielsucht. Sehen wir uns das mal näher an?«
    Â»Auf jeden Fall.«
    Von der Strandseite aus kamen sie nicht zur Klinik, sodass sie beschlossen, zurückzugehen und das Auto zu nehmen. Eine schmale Straße führte zu dem weißen Haus, das abgelegen auf dem Steilufer stand. Im Sommer sah man es vermutlich kaum, jetzt jedoch schimmerte das rote Dach zwischen den Bäumen hervor. In dem kleinen Empfangsgebäude vor dem Parkplatz saß ein fähiger Wachmann, der sich durch absolut nichts überzeugen ließ, etwas zu sagen – wenn man davon absah, dass er sie mit unmissverständlichen Worten vom Gelände schickte. Sie waren gerade die Hälfte der Zufahrtstraße wieder zurückgefahren, da tauchten hinter ihnen zwei Wagen auf. Paul drosselte das Tempo so weit, dass die Fahrer genervt hupten und sie trotz der engen Straße überholten. Paul schmunzelte und hängte sich dran, bis die Wagen vor einer Gaststätte in der Ortsmitte von Gollwitz hielten.
    Â»Bekommen die in der Klinik kein Mittagessen?«, fragte Kassandra verwundert.
    Â»Vielleicht haben sie einfach nur Lust auf Currywurst statt auf gesundes Essen.« Paul wies auf die schwarze Tafel an der Hauswand, auf der Spezialcurrywurst mit verschiedenen Soßen angeboten wurde.
    Vor ihnen stiegen drei Männer und zwei Frauen aus den Autos, sie lachten und betraten die Gaststätte. Kassandra traute ihren Augen nicht. »Hast du gesehen, was ich gesehen habe?«
    Â»Anfang vierzig, mittelgroß, dunkelblond, hellblaue Brille. Ja. Da der Mann immer noch hier ist, dürfte zumindest er eher kein Patient sein, sondern zum Personal gehören. Ich glaube, ich kriege Hunger auf Currywurst.«
    Im gemütlich eingerichteten Gastraum blieben Kassandra

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