Flammentod
Veilchen geschlagen?«
Jutta grinste. »Ach das. Halb so schlimm.«
»Sag bloß, du bist auch in eine Schlägerei gekommen.« Ich sah mit einem schnellen Blick zu Theresa, doch die machte ein eher vergnügtes als mitleidiges oder gar besorgtes Gesicht. »Es hat neue Entwicklungen gegeben«, wechselte ich das Thema. »Theresa, könnte ich mit meiner Mitarbeiterin vielleicht mal eben allein reden?«
Theresa wollte etwas sagen, doch Jutta antwortete für sie. »Warum so förmlich? Theresa weiß alles. Du kannst sie von der Liste der Verdächtigen streichen. Die Unterlagen über Diepeschrath hat Theresa nur gesammelt, weil sie Material für ihren Krimi hortet.«
»Und diese erfundene Todesanzeige?« fragte ich.
»Man soll sich in die Geschichten, die man schreibt, voll und ganz hineinleben«, antwortete Theresa.
»So sehr, daß man selbst einen Mord begeht?«
»Unsinn. Gedanklich. Kreativitätsmäßig. Steht alles in dem Buch hier.« Theresa griff auf die neue Arbeitsplatte der Küchenzeile und reichte mir ein schmales Bändchen. »Krimischreiben leicht gemacht«, lautete der Titel. »Wie Sie in nur einer Woche Ihren Traum vom eigenen Krimi verwirklichen.«
»Schau mal auf Seite fünfzehn«, sagte Theresa. »Da sind solche kreativen Hilfsmittel wie Traueranzeigen und so was sogar abgebildet.«
Ich überflog die Seite und sah, daß sie recht hatte. Neben den Abbildungen bestand das Buch aus Listen von Tips für angehende Kriminalromanautoren: »Schreiben Sie den Nachruf Ihres Opfers! Schreiben Sie das Tagebuch des verwitweten Partners des Opfers! Stellen Sie sich den Mord in allen Einzelheiten vor! Sammeln Sie Zeitungsberichte und anderes Material!«
»Kapiert«, sagte ich, schlug das Buch zu und gab es Theresa zurück.
»Das beste, was einem passieren kann, ist natürlich, daß man an einen leibhaftigen Detektiv gerät«, sagte sie und strahlte mich an.
»Was ist nun mit deinem blauen Auge?« fragte ich Jutta.
»Erzähl du erst mal.«
»Heute morgen kam die Nachricht -«, begann ich -
»Daß Angelika Diepeschrath was mit diesem Volker Becker gehabt haben soll«, vollendete Jutta den Satz.
»Glaubst du, das weiß ich nicht?«
»Wer erzählt nun? Du oder ich? Woher weißt du das?«
»Na, ich bin zu dem Laden gefahren, wie wir es vereinbart haben. Ich kam an, und es war genau so, wie du es erzählt hast. Die drei Damen waren da. Ich habe sie anhand deiner Beschreibung wiedererkannt: diese komische Morgana, die aussieht wie ein weiblicher buddhistischer Mönch, die blonde Susanne, die sich Saphyra nennt, und dann eben die dunkelhaarige Angelika alias Andra. Am Anfang lief alles blendend. Ich habe mich ein bißchen in dem Laden umgesehen, ein wenig über Edelsteine geplaudert - du weißt ja, in Edelsteinkunde habe ich ja mal einen Kurs gemacht.«
»Und dann haben sie dir vor lauter Wut eins aufs Auge verpaßt«, rief ich. »Mensch, hätte ich dich doch bloß nicht allein dort hingehen lassen.«
»Du irrst, Remi. Das Veilchen hatte ich schon, als ich da ankam.« Jutta gab Theresa ein Zeichen, die ihr eine Küchenrolle reichte. Jutta riß ein Stück ab und wischte sich damit über das Auge. Der blaue Fleck wurde blasser. »Das war nur ein kleines Täuschungsmanöver«, erklärte sie. »Damit mir die drei die Rolle als mißhandelte Ehefrau auch abnehmen. Dabei ist ganz schön viel Lidschatten draufgegangen.«
»Durchtrieben«, lobte ich.
Auch Theresa nickte anerkennend. »Nicht wahr? In Jutta hast du wirklich eine Superassistentin.« Sie stand auf. »Ich will euch jetzt aber nicht weiter stören. Ich gehe rauf, ein bißchen schreiben. Ich kenne die Geschichte ja schon.«
»Genug des Lobes«, sagte Jutta. »Ich war jedenfalls so schlau, in dieser Aufmachung in dem Laden zu erscheinen und zuerst eine Sonnenbrille aufzusetzen - als wollte ich die angeblichen Spuren männlicher Gewalt verstecken. Ich betrachtete also die Auslage, und irgendwann machte es schwupps, und die Sonnenbrille fiel wie durch Zufall herunter. Bis dahin waren die drei noch ziemlich abweisend gewesen, und es hatte eher peinliche Stille in dem Laden geherrscht - so nach dem Motto: Wir reden erst weiter, wenn die Alte weg ist. Doch dann wurden sie plötzlich zu lieben Schwestern, die einer mißhandelten Geschlechtsgenossin zur Seite standen.«
»Phänomenal! Und was haben dir deine neuen Schwestern anvertraut?«
»Tja - hier beginnt nun das Tragische. Eigentlich hatte ich ja mit Angelika reden wollen. Und gerade, als ich anfing, meine
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