Flashback
Hundert Kilometer südlich schimmerte Pikes Peak im klaren Licht der Morgensonne. Der Libellenhubschrauber kam von Westen, zog einen Kreis und landete mühelos. Nick warf seine Tasche durch die offene Tür und ignorierte Satos hingehaltene Hand, als er hineinkletterte.
Die große Reisetasche war schwer. Sie enthielt die Ausrüstung, die er neben der Glock 9 an seinem Gürtelhalfter mitgebracht hatte: einen sogenannten Drachenpanzer – eine Ganzkörpermontur der Polizei aus geschupptem Kevlar –, den er nach seiner Entlassung auf dem Schwarzmarkt gekauft hatte und der viel schwerer war als die K-Plus-Kleidung vom Vortag, ein KA-BAR-Kampfmesser in der Scheide, ein M4A1-Sturmgewehr, das noch von seinem
Vater stammte, einen M209-Granatwerfer, den man am M4A1 befestigen konnte, einen Karton hochexplosiver M406-Granaten, einen Negev-Galil-Flechettewerfer und eine kompakte, halbautomatische EMP-1911-A1-Pistole von Springfield Armory. Dazu hatte Nick die für alle Waffen passende Munition und einen sechsschüssigen S&W-Revolver Kaliber .45 mitgebracht, der ihm bei Schießwettbewerben des Police Department gute Dienste geleistet hatte und der mit einem Speedloader in gut drei Sekunden nachgeladen werden konnte.
»Vorsicht damit.« Nick quetschte sich in den geflochtenen Klappsitz an der hinteren Wand und schob die schwere Tasche darunter.
»Aha, Sie haben Ihre Spielsachen dabei, Bottom-san?«, antwortete Sato.
Motor und Rotor arbeiteten fast lautlos, doch als die Flüsterlibelle abhob und Richtung Süden strebte, wurde das Rauschen der Luft so stark, dass Sato Nick einen Ohrhörer reichte und ihm die Nummer des zu verwendenden Funkkanals zurief.
Sie flogen gleichmäßig in einer Höhe von rund dreitausend Fuß. Nick beobachtete, wie die südlichen Vororte Denvers allmählich in die nördlichen Vororte von Castle Rock übergingen.
Es war der erste wirklich kühle Morgen in diesem September. Die tief stehenden, klaren Sonnenstrahlen fielen auf Gebäude und Wagen, die sauber und normal wirkten, Produkte einer heilen Welt. Selbst die verlassenen, rostigen Windräder an der Kontinentalscheide machten in dem herrlichen Morgenlicht einen angenehm ordentlichen Eindruck. Mit Ausnahme des hoch aufragenden Pikes Peak verschwanden die Gipfel im Westen, als die Libelle ihren Flug über der I-25 fortsetzte.
Fast hätte Nick gegrinst. Eigentlich hätte er sich schämen müssen über die Erleichterung, die er seit Satos Anruf empfunden hatte, aber diese Erleichterung war viel stärker als seine Verlegenheit.
Er war einfach nicht scharf gewesen auf diese vielstündige Fahrt nach Santa Fe im verräterischen Tageslicht.
»Warum haben Sie es sich anders überlegt?«, fragte er Sato über ihre private Funkverbindung.
»Was habe ich mir anders überlegt, Bottom-san?« Der Sicherheitschef wirkte schläfrig an diesem Morgen. Entweder das oder er hatte die Sonnenstrahlen auf ihren Sitzen zum Meditieren genutzt.
»Dass wir nach Santa Fe nicht fahren, sondern fliegen.«
Unbeholfen wie Oddjob schüttelte Sato den Kopf. »Ah, nein. Wir benutzen die Sasayaki-Tonbo nur bis zur Staatsgrenze am Raton Pass. Von dort fahren wir mit zwei Geländewagen weiter nach Santa Fe. Mit dem Hubschrauber kommen wir einfach schneller zu den Fahrzeugen.«
Nick schaffte es, nur mit einem Nicken zu reagieren. Er wandte das Gesicht von Sato ab und konzentrierte sich auf die verlassenen Viehfarmen, die Trabantenstädte und den wenig benutzten Highway unter ihm. Bald hatten sie Colorado Springs passiert, und das breite, mit ein wenig Schnee bestäubte Massiv des Pikes Peak, das dreitausend Meter über die Höhe des Helikopters hinausragte, wich rechts hinter ihnen zurück.
»Nick, wollen wir nicht mal dieses neue F-2 probieren?«, fragt Dara.
An einem sonnigen Samstag im Januar, nur zehn Tage vor Daras Tod, liegen sie nebeneinander im Bett. Gerade haben sie sich auf eine langsame, unaufgeregte Weise geliebt, wie es manchmal bei verheirateten Paaren passiert, die zur nächsthöheren Ebene von Vertrautheit gefunden haben.
Jahrelang hat Nick bei seinen Flashepisoden selbst die schönsten Erinnerungen an die letzten Monate vor Daras Tod vermieden, weil das Gefühl des nahenden Unheils die Freude am Zusammensein mit seiner geliebten Frau überlagert hätte. Doch diesmal hat er
eine Ausnahme gemacht, weil die fast vergessene Unterhaltung an diesem strahlenden Januarsamstag vor fünfeinhalb Jahren wichtig für seine neue Untersuchung sein könnte.
Val ist zehn
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