Flashback
auf einen Seitengang mit einer Tür stieß, die bestimmt zu einer Treppe aufs Dach führte. Aber sie war verschlossen und nur über ein Tastenfeld zu öffnen. So viel dazu.
Frustriert kehrte er zur Zwischenetage zurück und lief erneut auf und ab. Irgendwie musste man doch aus diesem Scheißbau herauskommen können. Wenn er den Ausgang nicht bald fand, hatte er diesen Gunny und die anderen Wachleute im Nacken.
Dann bemerkte er auf einmal unten den eingetrockneten Brunnen und die Stahlkabel, die fünfundzwanzig Meter über dem Marmorboden und den primitiven Gartenparzellen von der Decke baumelten. Da oben gab es umlaufende Fenster, und zwei davon standen vielleicht zwanzig Zentimeter offen, um ein wenig frische Luft einzulassen. Vom Zwischengeschoss waren es nur zehn, zwölf
Meter bis hinauf zu diesen Dachfenstern. Eines der Kabel war mit dem Gewicht einer Bronzegans gesichert, die fünf oder sechs Meter weiter unten hing und irgendwann mal so ausgesehen haben musste, als würde sie gleich im Wasser aufsetzen – als in dem Brunnenbecken noch Wasser gewesen war.
Nachdem er sich kurz vergewissert hatte, dass das Kletterseil und die Karabiner fest über seiner Schulter hingen, fackelte Val nicht lange und rannte auf das Geländer zu. Er sprang hoch, um sich mit dem rechten Stiefel vom Geländer abstoßen zu können, und warf sich weit hinaus in die Leere zwölf Meter über dem Brunnen und dem Boden. Mit beiden Händen erwischte er ein Kabel, das unter seinem Gewicht heftig zur Seite pendelte, und hätte fast losgelassen, ehe er Beine und Fußgelenke um das Stahlseil schlingen konnte.
Er hatte gar nicht darüber nachgedacht, ob das Kabel ihn tragen würde – der Alte hatte ihm beigebracht, dass Ingenieure bei solchen Dingen immer einen großen Sicherheitsspielraum einplanten. Tatsächlich waren das Seil und die Befestigungsbolzen alt, und das ganze Ding gab mindestens fünf Zentimeter nach. Das Kabel schwang hin und her, und die schwere Bronzegans unten beschrieb einen weiten Bogen nach links, während sie wie wild um sich selbst rotierte.
Bei dem Sprung war fast kein Geräusch entstanden, und niemand trat aus seiner Wohnwabe. Trotz der plötzlich in ihm hochschießenden Angst musste Val grinsen, und dann fing er an zu klettern. Die Perlon-3-Rolle und die baumelnden Karabiner zerrten nach unten.
Oben angekommen befand er sich immer noch knapp zwei Meter unter dem nächsten offenen Dachfenster ohne Möglichkeit dorthin zu gelangen. Das hab ich mir wohl nicht richtig überlegt. Val hing gut zwanzig Meter über dem Boden, und seine Unterarme zitterten bereits vor Anstrengung. Das wäre ja nichts Neues.
Val klammerte sich mit einem Oberarm, Schenkeln und Füßen fest, um mit beiden Händen ein Stück Kletterseil von der Schulter zu ziehen und einen Karabiner daran zu befestigen. Als das geschafft war, hatte er ein zwei Meter fünfzig langes Stück Seil mit der Stahlklammer am Ende.
Beim zweiten Versuch gelang es Val, den Karabiner und etwas Seil über den Metallrahmen zwischen den beiden Dachfenstern zu werfen. Doch der Karabiner flog zu weit und knallte mit einem dumpfen Schlag auf die Glasscheibe. Als Val ihn zurückzog, hätte ihn das Gewicht fast in die Tiefe gerissen. Doch dann schleuderte er ihn erneut hoch. Noch einmal. Und noch einmal.
Endlich hingen eineinhalb Meter Seil mit dem Karabiner am Ende nach unten. Von seiner Seite aus versetzte er es in pendelnde Bewegung, bis er den Karabiner zu fassen bekam.
Allmählich wurde er wirklich müde, und er konnte nicht verhindern, dass er am Stahlkabel etwas abrutschte. Val ahnte, dass in einer Minute die Kräfte nicht mehr reichen würden, um sich festzuhalten. Er befestigte den Karabiner am Hauptstrang des Kletterseils und ließ es von der Schulter fallen.
Ohne das Gewicht war es leichter. Das Seil reichte bis hinunter zum Boden des alten Brunnens. Val zog die Schlinge um den Stahlrahmen fest und legte die Hände um das baumelnde Seil.
Das Perlon 3 war viel rutschiger als das Stahlkabel, und er bekam keinen guten Halt mit den Füßen. Schließlich musste er eine Schlaufe des leuchtend blauen Seils um das rechte Handgelenk schlingen, um einige Sekunden verschnaufen zu können. Dann begann er unter lautem Ächzen, nach oben zu klettern.
Es waren nur knapp zwei Meter. Nur.
Als er endlich mit ausgestrecktem Arm den verrosteten Stahlrahmen der Dachluke erreichte, dachte Val nicht zum ersten Mal: Und was jetzt?
Die blöden Dachluken standen nur zwanzig
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