Forgotten
gluckert aus mir hervor, als ich mich entrolle und die Decke über meinen Beinen zurechtzupfe. »Ziemlich komisch, ja«, sage ich. »Oder vielleicht bin ich einfach nur leicht zufriedenzustellen.«
»Dann hätte ich mich ja mit dem Date gar nicht so anstrengen müssen«, meint er. Ich beuge mich zu ihm und gebe ihm einen Klaps mit der linken Hand, die er einfängt und festhält. Sie ist gut aufgehoben bei ihm.
»Du steckst wirklich voller Überraschungen«, sage ich und blicke wieder nach oben in den Himmel.
»Inwiefern?«
»Die meisten Jungs würden sich niemals solche Geschichten ausdenken.« Ich denke an die Jungen und Männer, mit denen ich in meiner absehbaren Zukunft zu tun haben werde. »Erst recht keine Jungs, die so aussehen wie du.«
»Und die meisten Mädchen, die so aussehen wie du, sind Promqueens«, entgegnet Luke mit demselben Ernst. »Aber du stehst nicht gern im Rampenlicht, hab ich das Gefühl. Du hast genau eine gute Freundin und machst am liebsten dein eigenes Ding. Das mag ich so an dir.« Er drückt einen Kuss auf meine Handknöchel, und ein kleiner Schauer durchrieselt mich.
»Wo haben wir gelebt?«, flüstere ich und entziehe ihm sacht meine Hand, damit ich gerade liegen und es mir bequem machen kann. Dann rücke ich noch näher an ihn heran – falls das überhaupt möglich ist. »Mal nachdenken … ich würde sagen, wir haben in … in Irland gelebt«, beantworte ich meine eigene Frage.
»Okay«, sagt Luke. »Und wir haben Kartoffeln angebaut.«
»Wir hatten ein arbeitsreiches, schweres Leben«, murmle ich. Allmählich werde ich müde. Die Gefühle, der Lachanfall, die Wärme von Lukes Körper – das alles zieht mich ganz, ganz langsam Richtung Schlaf.
»O ja. Sehr, sehr arbeitsam.«
»Ich hatte rote Haare.« Es ist so gemütlich hier, als läge ich in meinem Bett. Aber dann wäre Luke natürlich nicht bei mir, also bin ich ganz froh, dass ich nicht in meinem Bett liege.
»Du hast doch jetzt auch rote Haare«, wispert er.
»Ich weiß. Ich glaube, ich werde immer rote Haare haben.«
»Hoffentlich. Die mag ich nämlich mit am meisten an dir.« Lukes Worte kommen nur noch undeutlich bei mir an, ich bin wie hypnotisiert vom sanften, gleichmäßigen Klang seiner Stimme und der schwarzen Unendlichkeit des Universums über mir.
»Danke«, murmle ich, ohne die Lippen zu öffnen.
Lukes Atem geht tief und gleichmäßig, und meiner passt sich seinem an. Ich bin so glücklich und so dankbar. Für diesen wunderbaren Abend. Dafür, dass Luke neben mir liegt. Für diese kuschelige Decke, die uns so schön warm hält …
Bis sich irgendwo in den Tiefen meines Gehirns eine Frage formt.
Wie spät ist es?
Die Frage ist flüchtig und wird sofort von einem anderen, viel aufregenderen Gedanken beiseite gedrängt: Ich glaube, ich bin dabei, mich zu verlieben.
Nein, ich weiß es.
Ich verliebe mich gerade in Luke.
Das ist alles so unglaublich, so überwältigend. Ich schließe die Augen, nur einen kurzen Moment lang.
Ein paar kurze Momente.
Ein kleines Weilchen.
Und auf einmal bin ich in Irland.
Zumindest in dem Irland, das ich aus Filmen kenne. Ich stehe in einem sehr großen, sehr grünen Feld, das weit, weit weg in der Ferne von einer niedrigen Mauer eingefriedet ist. Das hier ist unser Land, Lukes und meins. Hinter uns steht ein winziges Steinhäuschen, aus dessen Schornstein kräuselnd der Rauch aufsteigt. Unser Heim. Neben mir steht Luke, er trägt einen Pullover aus dicker weißer Wolle mit Zopfmuster und einen karierten Schal. Und er raucht eine Pfeife.
Seit wann raucht Luke Pfeife?
Oder noch wichtiger: Was zum Geier machen wir in Irland?
Am allerwichtigsten: Wieso kommt da hinten ein Tyrannosaurus Rex mit gefletschten Zähnen auf uns zugerast?
O nein.
O NEIN!
Nein, nein, nein, nein!!!!
Das darf nicht wahr sein!
Irgendwo ganz tief in mir drin weiß ich, dass ich schlafe. Und ich weiß, dass Luke, dieser Strickpullover tragende, Pfeife rauchende, irische Luke nicht der reale Luke ist – der, an den ich mich jetzt schon nicht mehr erinnern kann. Er ist nur ganz knapp außer Reichweite, wie etwas, das man unbedingt sagen wollte, und auf einmal hat man es vergessen, und es will einem einfach nicht wieder einfallen.
Ich fahre mit der Hand in die Tasche meiner Schürze, die ich im Traum anhabe, und taste panisch nach einem Zettel, den ich nicht geschrieben habe. Im Traum ist er nicht da; und wenn ich aufwache, wird er auch nicht da sein.
Kein Zettel.
Keine
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