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Franzen, Jonathan

Franzen, Jonathan

Titel: Franzen, Jonathan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Freihheit
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lassen», sagte Jonathan. «In dem Ding sehen Joey und ich
aus wie zwei Schwule.»
    Jennas
einziger offenkundiger Defekt war ihre Stimme, die gepresst und
kleinmädchenhaft klang. «Ja, klar», sagte sie. «Zwei Schwule mit Jeans, die
ihnen halb überm Arsch hängen.»
    «Ich
kapiere einfach nicht, warum du nicht mit dem Cabrio nach New York fahren
kannst», sagte Jonathan. «Das hast du doch schon mal gemacht.»
    «Weil Mom sagt, das geht nicht. Nicht an einem Feiertagswochenende. Der Land Cruiser ist sicherer. Am Sonntag hast du ihn wieder.»
    «Spinnst
du? Der Land Cruiser ist eine
Überschlagkiste. Total unsicher.»
    «Das
kannst du ja Mom erzählen.
Sag ihr, dein Erstlingsauto ist eine unsichere Überschlagkiste, weshalb ich
damit nicht nach New York fahren kann.»
    «Hey.»
Jonathan wandte sich an Joey. «Willst du übers Wochenende nach New York?»
    «Klar!»,
sagte Joey.
    «Nehmt
doch einfach das Cabrio», sagte Jenna. «Für drei Tage schadet euch das nicht.»
    «Nein,
super, wir machen es so», sagte Jonathan. «Wir fahren alle mit dem Land Cruiser nach New York und gehen shoppen. Du kannst mir helfen, eine Hose zu
finden, die deinem Standard entspricht.»
    «Gründe
dafür, dass das ein Blindgänger ist?», sagte Jenna. «Nummer eins, ihr habt
nicht mal was zum Übernachten.»
    «Warum
können wir denn nicht mit dir bei Nick pennen? Der ist doch in Singapur, oder?»
    «Nick wird
nicht wollen, dass ein Haufen Erstsemester in seiner Wohnung rumtrampelt.
Außerdem ist er Samstag vielleicht wieder da.»
    «Zwei sind
kein Haufen. Es wären nur ich und mein unglaublich ordentlicher Zimmergenosse
aus Minnesota.»
    «Bin ich
wirklich», versicherte Joey ihr.
    «Zweifellos»,
sagte sie null interessiert von ihren Zinnen herab. Gleichwohl schien Joey
ihren Widerstand zu komplizieren - einen Fremden konnte sie nicht ganz so abtun
wie ihren Bruder. «Ist mir völlig gleich», sagte sie. «Ich frage Nick. Aber
wenn er nein sagt, könnt ihr nicht mit.»
    Als sie
zurück nach oben ging, hielt Jonathan Joey die Hand
zu einem Abklatscher auf Kopfhöhe hin. «New York, New York», sagte er. «Wir
können bestimmt auch bei Casey pennen,
wenn Nick sich als die Arschgeige erweist, die er meistens ist. Das ist
irgendwo an der Upper East Side.»
    Joey war
schier betäubt von Jennas Schönheit. Er schob sich zu der Stelle, wo sie
gestanden hatte und es noch schwach nach Patschuli roch. Dass er
möglicherweise ein ganzes Wochenende in ihrer Nähe verbringen würde, einfach
durch den puren Zufall, dass er Jonathans Zimmergenosse war, erschien ihm wie
ein Wunder.
    «Du also
auch, wie ich sehe», sagte Jonathan kopfschüttelnd. «Das ist die Geschichte
meines jungen Lebens.»
    Joey
spürte, wie er errötete. «Ich kapiere nur nicht, wie du so
hässlich werden konntest.»
    «Ha, du
weißt ja, was man über alte Eltern sagt. Mein Dad war bei meiner Geburt
einundfünfzig. Zwei Jahre genetischer Niedergang machen da schon eine Menge aus.
Nicht jeder Junge wird so schön wie du.»
    «Hab gar
nicht gewusst, dass du solche Neigungen hast.»
    «Was für
Neigungen? Schönheit interessiert mich nur bei Frauen, wo sie auch hingehört.»
    «Leck
mich, Luxusjunge.»
    «Schönling,
Schönling.»
    «Leck
mich. Gleich tret ich dir beim Air Hockey in den Arsch.»
    «Solange
du nichts anderes mit ihm vorhast.»
    Ungeachtet
Tamaras Drohung, kam es während Joeys Aufenthalt
in McLean zum Glück kaum zu religiöser
Unterweisung oder sonstigen elterlichen Einflussnahmen. Er und Jonathan
richteten sich im Souterrainkino ein, in dem es Liegesitze und eine zweieinhalb
Meter hohe Leinwand gab, und blieben dort bis vier Uhr morgens, damit befasst,
schlechte Fernsehsendungen zu sehen und einander mit homophoben Sprüchen zu
traktieren. Als sie dann an Thanksgiving endlich
aufstanden, trafen schon Massen Verwandte ein. Da sich Jonathan mit ihnen
unterhalten musste, schwebte Joey wie ein Heliummolekül durch die prächtigen
Räume und gab sich dem Arrangement von Sichtachsen hin, durch die Jenna
hindurchschreiten oder, noch besser, in denen sie sich niederlassen würde. Der
anstehende Ausflug nach New York, den ihr Freund überraschenderweise
abgesegnet hatte, war wie Geld auf der Bank: Joey würde mindestens zwei
ausgedehnte Autofahrten lang Zeit haben, um Eindruck auf sie zu machen. Vorerst
wollte er nur seine Augen an sie gewöhnen, das Hinsehen weniger unmöglich
werden lassen. Sie trug ein züchtig hochgeschlossenes Kleid, ein sympathisches Kleid, und war

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