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Franzen, Jonathan

Franzen, Jonathan

Titel: Franzen, Jonathan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Freihheit
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potenzielle Rivalin
unter Druck keine ausreichende Leistung zeigte, usw. usw. usw. Aber der
Wettkampfsport gründete auf einem Hingabetrick, einer Glaubensmethode, und war
einem das in der Mittel-, allerspätestens in der Oberstufe erst einmal
vollständig eingebläut worden, brauchte man sich, wenn man zur Sporthalle
unterwegs war und loslegte, über nichts Wichtiges mehr Gedanken zu machen, man
kannte die Antwort auf die Frage, die Antwort war das Team, und alle
lässlichen privaten Angelegenheiten wurden beiseitegeschoben.
    Es könnte
sein, dass Patty in ihrer Aufregung nach dem Zusammentreffen mit Walter nicht
darauf geachtet hatte, genügend zu essen. Auf jeden Fall war von dem Moment an,
da sie die Williams Arena betrat, irgendetwas faul. Die UCLA-Spielerinnen waren
groß und kraftstrotzend, mindestens drei der Starter eins achtzig oder größer,
und Trainerin Treadwells Taktik sah vor, sie durch schnelles Umschalten von
Abwehr auf Angriff zu ermüden, sodass die kleineren Spielerinnen, vor allem
Patty, lossprinten und Treffer erzielen konnten, bevor die Bruins ihre Verteidigung stehen hatten. Der Plan für die Defensive hingegen
war, besonders aggressiv zu sein und zu versuchen, die beiden besten
Schützinnen der Bruins frühzeitig
in die Foul-Falle zu locken. Niemand erwartete, dass die Gophers gewinnen würden, aber falls es doch geschah, konnten sie es auf den
inoffiziellen nationalen Ranglisten unter die ersten zwanzig schaffen und
damit besser abschneiden, als es ihnen in Pattys aktiver Spielzeit bisher je gelungen war. Und deshalb war es für sie
ein sehr ungünstiger Abend, um den Glauben zu verlieren.
    Sie
verspürte tief in sich eine sonderbare Schwäche. Zwar konnte sie sich genauso
gut dehnen und strecken wie sonst, aber irgendwie fühlten sich ihre Muskeln
unelastisch an. Die lauten Anfeuerungsrufe ihrer Mannschaftskameradinnen
zerrten an ihren Nerven, und eine Enge in der Brust, eine Art Gehemmtheit,
hinderte sie daran, zurückzurufen. Es gelang ihr, alle Gedanken an Eliza
wegzusperren, aber stattdessen fing sie an zu überlegen, wieso ihre eigene
Karriere in anderthalb Saisons ein für alle Mal vorbei sein würde, wo doch ihre
mittlere Schwester nun vielleicht durchstarten und für den Rest ihres Lebens
eine berühmte Schauspielerin sein konnte, und was für eine zweifelhafte
Investition ihrer Zeit und Energie der Sport somit gewesen war und wie
unbekümmert sie die jahrelangen, genau in diese Richtung weisenden Fingerzeige
ihrer Mutter ignoriert hatte.
    Nichts
davon, das lässt sich mit Sicherheit sagen, empfahl sich, vor einem wichtigen
Spiel gedacht zu werden.
    «Sei
einfach du selbst, sei die Beste», sagte Trainerin Treadwell zu ihr. «Wer ist
unsere Spielführerin?»
    «Ich bin
unsere Spielführerin.»
    «Lauter.»
    «Ich bin unsere
Spielführerin.»
    «Lauter!»
    «ICH bin
unsere Spielführerin.»
    Wer je
einen Mannschaftssport ausgeübt hat, wird wissen, dass Patty sich
augenblicklich kräftiger, konzentrierter und führungsstärker fühlte, nur weil
sie das gesagt hatte. Komisch, wie dieser Trick funktioniert - die Transfusion
von Selbstbewusstsein durch bloße Wörter. Beim Aufwärmen ging es ihr gut, und
auch als sie den Bruins-Kapitänen die Hand schüttelte und ihre taxierenden
Blicke auf sich spürte, ging es ihr gut, schließlich wusste sie, dass man ihnen
gesagt hatte, sie sei eine gefährliche Schützin und die Regisseurin des Gopher 'sehen
Angriffsspiels; sie legte ihren Ruf als Erfolgsgarantin an wie eine Rüstung.
Aber wenn man erst einmal im Spiel ist und das Selbstbewusstsein zu bluten
beginnt, ist eine Transfusion von der Seitenlinie aus nicht mehr möglich. Patty
erzielte einen einfachen Korb infolge eines schnellen Konters, und das war
eigentlich das Ende ihres Abends. Schon in der zweiten Minute merkte sie an dem
Kloß in ihrem Hals, dass sie so hundsmiserabel sein würde wie noch nie zuvor.
Ihre Gegenspielerin hatte ihr fünf Zentimeter und fünfzehn Kilo und
unmenschliche Kapazitäten an vertikaler Sprungfähigkeit voraus, aber das Problem
war nicht nur, ja nicht einmal in erster Linie ein physisches. Das Problem war
die Niederlage in ihrem Herzen. Anstatt angesichts des ungerechten
Körpergrößenvorteils der Bruins leidenschaftlichen
Kampfgeist zu entwickeln und dem Ball gnadenlos hinterherzujagen, wie die
Trainerin es ihr eingeschärft hatte, fühlte sie sich von eben dieser
Ungerechtigkeit bezwungen: tat sie sich selber leid. Die Bruins versuchten es mit einer

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