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Frostbite

Frostbite

Titel: Frostbite Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Wellington
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sträubt,
damit sie größer erscheint. Er trug eine schwere Lederjacke und Stiefel mit
stahlverstärkten Schnüren, als wäre er gerade von den Bergen herabgestiegen.
Aber während seine Füße verkündeten, dass er praktisch veranlagt war, schien er
oberhalb des Gürtels zu jeder Party bereit zu sein. Sein Haar glänzte vor
Frisierwachs und endete in dreieckigen Spitzen, die genau nach oben wiesen. Er
war so um die fünfunddreißig, hatte aber eine seltsam jungenhafte Ausstrahlung.
Vielleicht war es ja das breite, verwegene Grinsen im Gesicht. Er kam zur Bar
und lehnte sich an, umfasste mit beiden Händen die Messingstange an der Theke.
    Chey lächelte ihn an – er sah aus, als sei er großzügig mit
Trinkgeldern – und erledigte die Bestellung, mit der sie beschäftigt war.
Dann wandte sie sich um und nickte ihm zu.
    Er hob die Stimme über den allgemeinen Gesprächslärm und den
Aerosmith-Song aus der Jukebox. »Habt ihr was Mexikanisches in der Flasche?«,
fragte er. »Ich kann das einheimische Bier nicht ausstehen. Ich ziehe
importierte Plörre vor.«
    Ihre Augenbrauen zogen sich ungehalten zusammen, aber sein Grinsen
geriet nicht ins Schwanken. Der Rausschmeißer an der Tür, dreihundert Pfund
osteuropäische Muskeln namens Arkady, warf ihr einen Blick zu. Es war ein
fragender Blick, kein warnender. Sie schüttelte den Kopf, und Arkady entspannte
sich ein klein wenig. Sie war sich ziemlich sicher, dass der Neue bloß witzig
sein wollte.
    »Corona gut genug?«, fragte sie
und griff nach der Flasche. Er nickte, und sie stellte sie auf der Theke ab,
hebelte den Kronkorken herunter und steckte eine Limonenscheibe darauf, alles
in einer Bewegung. »Drei Dollar«, sagte sie dann und hielt drei Finger hoch für
den Fall, dass er sie bei dem Krach nicht verstand.
    Er zog einen Hunderter hervor und legte ihn über den Flaschenhals.
»Wenn du siehst, dass ich Nachschub brauche, einfach machen und keine Fragen
stellen.« Er lächelte. »Was davon noch übrig ist, wenn ich gehe, behältst du
für dich.«
    Zu diesem Zeitpunkt hatte Chey lange genug gekellnert, um zu wissen,
wie sie zu reagieren hatte. »Das ist sehr großzügig, danke«, sagte sie. »Ich
kümmere mich heute Abend um Sie.« Sie nahm den Geldschein von der Flasche.
»Zumindest bis Sie gehen.«
    Er sagte leise etwas, vermutlich etwas Beleidigendes, aber sie
beschloss, es zu überhören. Es war ein arbeitsreicher Abend, und sie musste
bedienen, also wandte sie sich ab. Er behielt sie im Auge, und sie wusste, dass
er sich weiter mit ihr unterhalten wollte. Sie versuchte sich noch immer zu
entscheiden, ob sie ihm zuhören wollte oder nicht, als er mit dem ersten Bier
fertig war und sie ihn mit Nachschub versorgen wollte.
    Er nahm ihr die fast leere Flasche wieder aus der Hand und hielt sie
schräg an den Mund. Als wäre er beleidigt, dass sie die Flasche abräumte,
obwohl noch ein kleiner Schluck drin war. Als sie sich bückte, um eine neue
Flasche zu holen, spürte sie seinen Blick auf ihrer Brust. Auf ihren Brüsten.
Das war weder neu noch überraschend, aber irgendwie hatte sie das Gefühl, dass
er mehr an ihrer Tätowierung interessiert war als an ihrer Haut.
    Das rückte ihn in die Kategorie der Leute, mit der sie lieber nichts
zu tun haben wollte. Sie machte Anstalten, seinen Hunderter aus der Kasse zu
fischen und ihm zurückzugeben, um ihm dann zu sagen, dass sein erstes Bier aufs
Haus gehe, solange es auch sein letztes sei. Aber bevor sie es tun konnte,
stellte er die Flasche ab und ergriff das Wort.
    »Man hat ihn nie gefunden«, sagte er. Er grinste noch immer.
    Chey zog kurz in Betracht, ihn zu fragen, wovon zum Teufel er da
eigentlich sprach. Aber das war sinnlos. Er konnte nur eine Sache meinen. Sie
öffnete sein zweites Bier. Sagte kein Wort.
    »Überraschenderweise hat man eine ziemlich gründliche Suche
durchgeführt. Die meisten lokalen Polizeibehörden hätten das als einen Akt
Gottes abgeschrieben. Aber die guten Bürger von Chesterton, die gaben sich wirklich Mühe. Sie riefen die wirklich harten
Jungs. Die Mounties schickten Hubschrauber in den Busch und kamen mit
Bluthunden, als die Suche aus der Luft nichts ergab. Ein Stück weiter nördlich
entdeckte man einen Karibukadaver, der möglicherweise sein Werk gewesen war. Nur zwei Arten von Tieren konnten einen
Bock auf diese Weise auseinandernehmen. Ein Grizzly oder ein … Werwolf.«
    »Ja«, sagte Chey. »Okay. Das reicht.« Arkady der Rausschmeißer
setzte sich auf seinem Stuhl auf.

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