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Für immer in Honig

Für immer in Honig

Titel: Für immer in Honig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Dath
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mächtig gewordenen frankokanadischen Gewerkschaften »Centrale Syndicale Nationale« und »Fédération des Travailleurs du Quebec« immer offner solidarisierten. Im arabischen Raum (8 Millionen P.A.S .-, 21 Millionen Rotfeuerkranke) hatte neben dem häufig von neo-islamistischen Gruppen organisierten Widerstand gegen TRIPS und TRIMS auch eine Antibanken- und Antischuldenbewegung Zulauf von Seiten der politischen Elite und der deklassierten Intelligenz.
    Eine Gemeinsamkeit der Lage in Kanada, Indien und Westeuropa fiel ihm auf, sie betraf die beiden großen Arten von Organisationen, die an diesen Schauplätzen eine Rolle spielten: Gewerkschaften (die südafrikanische COSATU , Confederation of South African Trade Unions, war das Sammelbecken und die organisatorische Zentrale nicht nur der südafrikanischen, sondern so gut wie der gesamtkontinentalen Antibankenwut geworden) und das Militär. Andy notierte sich auf Hotelbriefpapier, für sein Buch, daß nicht nur einfache Rekruten, sondern auch Angehörige des mittleren, ja des oberen O ffizi erskorps diverser Armeen der Welt jene »Rückkehr der Politik« forcierten. Das würde den Inhabern von Patenten, den Im- und Exporteuren von Kapital, Besitzern von Produktionsmitteln, Schiebern, Räubern mehr Kopfzerbrechen bereiten als irgend etwas, seit die Zombies angegriffen hatten. »Soldaten«, murmelte er, das Gesicht wässrig blau vom Flimmern des Hotelfernsehers, »das werden sie ernstnehmen müssen.«
    In diesem Moment verstand er auch die neuen pazifistischen Slogans aus dem Mund der Haute Volée: Sie waren Ausdruck der miesen Haltung von Leuten, die um ihre Privilegien fürchteten. Als politische Position, dachte Andy, ist prinzipieller Pazifismus sowieso immer ­entweder ­Berechnung, wie in diesem Fall, oder infantil, regressiv: Bitte nicht hauen. Das hieß nicht, daß er kein Mitleid kannte, oder keine Angst: Wenn er beschossen wurde, war er selbstverständlich auch Pazifist, das hatte er oft genug erleben müssen. Nur durfte man, dämmerte ihm jetzt, seine Einschätzung der jeweiligen Lage halt nicht auf Momente der Angst oder des Mitleids bauen, sonst überließ man denen die Welt, die der Résistance gegenüber Logistikprobleme heuchelten, sobald die Politik zurückkehrte.
    Er griff zum Telefon, sah auf seine Weltzeit-Armbanduhr, und wählte Hillarys Nummer.
    Bei ihr war’s Nachmittag. Sie hatte Zeit zum Reden, hörte sich in großer Ruhe an, was er zu sagen hatte, und seufzte schließlich: »Schön, daß du das endlich mitbekommen hast. Wußtest du, daß mein Mann und meine Tochter auf mehreren Anti- TRIPS -Versammlungen der letzten Monate gesprochen haben, darunter auf der größten, in Washington?«
    Andy erinnerte sich vage an etwas dieser Art, W Bill Clinton, dessen Haar jetzt »endgültig zu lang« (Valerie) war – es fiel sogar über die Schultern, und der Bart lag auf der Brust –, ließ, wie Cordula neulich erfreut verkündet hatte, »immer mehr den W raushängen«, hatte inzwischen blaue Haut und wurde von den rechten amerikanischen Medien als »Außerirdischer« geschmäht.
    »Na ja, dein Mann ist immer ein Weltverbesserer gewesen, nicht?«
    »Weißt du was, Andy?« sagte sie leise.
    »Hm?«
    »Du bist ein guter Mensch. Tapfer, gütig, stark. Aber du erlaubst dir nicht, das zu merken oder mehr draus zu machen als unmittelbare ­Not­hilfe, wenn jemand nach dir ruft.«
    »Also hör mal …«
    »Nein, wirklich. Ich nehme an, das liegt daran – oh, ich erinnere mich an alles, was ich dir im Laufe der Jahre aus der Nase gezogen habe, über deine mysteriöse Vergangenheit, glaub’s nur –, daß du dich irgendwo, vor langer Zeit, aus Überdruß an einer Welt, in der für deine Tugenden kein Bedarf zu bestehen schien, mit ein paar dummen Nazis eingelassen hast. Vergiß das, Andy. Komm endlich zu uns anderen, hilf uns beim Durchwursteln. Wir brauchen dich.«
    Darauf wußte er keine Antwort, und sie ersparte ihm die Peinlichkeit, lange nach einer suchen zu müssen, indem sie jetzt anfing, ihm Neuigkeiten vom Rosengarten des Weißen Hauses zu erzählen: »Du glaubst nicht, wie schön sie blühen, das sieht aus wie … wie … wie nicht von dieser Welt.«
    Er hörte zu, und hörte doch auch noch was anderes, eine Neuigkeit, eine neue Zeit, einen Aufbruch.
    Ich bin ein Speer: der von Blut dröhnt
Ich bin ein Lachs: in einem Teich
Ich bin ein Zauber: aus dem Paradies
    5  Lena war gegen vier Uhr Ortszeit aufgewacht, die Fenstervierecke hatten noch

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