Galdäa. Der ungeschlagene Krieg (German Edition)

Wesen. Überwacht von den bösen Augen der Schwarzen Pyramide. Das hat sich wirklich abgespielt. Die Sagen sind wahr. Ich fasse es nicht.«
    Michael Sanderstorm wurde von einer groben Hand an der Schulter gerüttelt, blickte zur Seite. »Ja«, sagte er, »ich weiß. Zweihundert Sekunden. Ich weiß. Ich kann ebensogut so lange mit diesen Leuten sprechen. Sie haben mindestens genausoviel mit all dem zu tun wie ich.«
    Er wandte sein Gesicht wieder der Kamera zu, der Bildwand, wo auf seiner Seite dieses Dreigestirn aus Musiker, Karnese und Auswahlkämpferin zu sehen war. Er konnte nichts sagen: Kaddok unterbrach ihn, obwohl wieder Überbleibsel auf die Hülle des Schiffs trafen und knirschend daran entlangstrichen.
    »Sie kommen«, sagte der Schwerweltmensch jetzt. Seine Blicke fixierten die Anzeigen seiner Konsole.
    »Wer kommt?«
    »Diese Schiffe, vor denen uns Galdäa gewarnt hat. Sie haben sich gesammelt und kommen mit hoher Geschwindigkeit auf eure Position zu. Haben offenbar hinter dem Planeten riskante Manöver vollführt, um ein derartiges Tempo zu erreichen ...«
    »Verdammt«, sagte Bonnie.
    Markus warf ihr einen fragenden Blick zu. »Sie werden die Pere-grinus angreifen«, sagte die Soldatin, und in ihrer Stimme klirrte Empörung. »Ein Schiff, das sich nicht verteidigen kann. Nur ihrer kleinen schmutzigen Geheimnisse wegen.«
    »Klein?« Kaddok starrte sie verwirrt an. »Schmutzig mag angehen«, brummte er, »sehr schmutzig sogar. Aber klein? Diese Leute haben ohne Not mit der Menschheit herumexperimentiert, und einen völlig sinnlosen Krieg inszeniert, als ihnen die Sache aus dem Ruder lief.«
    »Was soll’s?«, fragte Markus sachlich; in seinem Kopf wog der emsige Zähler und Rechner Pro und Kontra ab. »Schließlich sind es keine Geheimnisse mehr. Das Netz weiß Bescheid, der bewohnte Kosmos ist in Aufruhr. Und hier schaut praktisch das Netz zu. Die können gar nicht angreifen.«
    Michael Sanderstorm sah noch schmaler und kranker aus als zuvor. »Nach unseren Daten«, sagte er, »haben sie dennoch genau das vor. Diese vier Doppelwespen haben ein unerhörtes Tempo und voll aktivierte Waffensysteme. Sie steuern Kollisionskurs. Frontalangriff, würde ich sagen.«
    Bonnie Wayss gab ein Geräusch von sich, das wie ein geplatzter Druckluftschlauch zischte. Erst beim zweiten Versuch konnte sie sich verständlich ausdrücken. »Nun haut endlich ab!«, fauchte sie.
    In diesem Augenblick rief jemand an Bord der Peregrinus XLIV aus, dass es jetzt einhundert Sekunden bis zum Raumsprung seien, und die Emissionen, die Kaddoks Konsole anzeigte, bestätigten diese Berechnung. Einhundert Sekunden, um aus diesem Raum hinüberzuwechseln in einen, der keine heranjagenden Feinde enthalten würde. Die Sache hatte nur einen Haken: Die Raumfahrzeuge der Goldenen würden nicht so lange brauchen. Bei der gegenwärtigen Geschwindigkeit würden sie deutlich weniger als hundert Sekunden benötigen, um die Peregrinus XLIV unter Beschuss zu nehmen. Das Schiff würde vernichtet werden, ganz egal, wie weit es mit seinen Vorbereitungen zur Flucht gekommen war.
    Markus Hataka spürte, wie in seinem Schädel Zahlen über Zahlen gewälzt wurden, eine mathematische Sturzflut aus Kalkulationen, denen er nicht folgen konnte. Der Erbsenzähler machte sich selbstständig, ein Gefühl wie die Drohung von Kopfschmerz. Unverständliche Operationen, die unaufhaltsam dahindonnerten. Markus Hataka lauschte dem arithmetischen Sturm in seinem eigenen Geist fasziniert, und das Ergebnis überraschte ihn selbst, als er es aussprach. »Brecht den Notstart ab«, sagte sein Mund, »und benutzt die warmgelaufenen Landau-Modulatoren, um ein zusätzliches Schutzfeld zu erzeugen. Stopft alles hinein, was ihr an Energie habt. Eure einzige Chance. Tut es. Jetzt. Sofort.«
    Der Student gaffte ihn an, ohne zu reagieren; jemand anderes an Bord des bedrohten Schiffs hatte verstanden und handelte.
    »Eine gute Idee«, sagte Bonnie Wayss. »Sie werden ihre Maschinen ruinieren und die Systeme überlasten, aber sie werden vielleicht überleben. Vielleicht.«
    Die Ausstrahlungen der Peregrinus XLIV veränderten sich. Sie spuckte keine Energie mehr ins All, als wollte sie einen Raumsprung versuchen. Stattdessen verdichtete sich der Raum um sie herum, hüllte sie ein, gerann zu einer Hülse, in der sie steckten wie eine leckere Frucht.
    Als die ersten Entladungen der angreifenden Goldenen trafen, floss das grausige Licht aus den Waffen um das Schiff herum und vorbei, ohne es