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Galdäa. Der ungeschlagene Krieg (German Edition)

Galdäa. Der ungeschlagene Krieg (German Edition)

Titel: Galdäa. Der ungeschlagene Krieg (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karsten Kruschel
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Pt. 2« kamen ihm zu wertvoll vor, gerade weil er sich kaum daran erinnerte, was er letzte Nacht geschaffen hatte. Er dachte an seine Lieblingsmusik, ja, laut wie die Hölle, eine läutende Glocke hinter meinem Lächeln. Es schüttelt meine Zähne, dachte Markus, diese Textzeile bekam plötzlich eine neue Bedeutung. Vielleicht, dachte er, habe ich den Song ja nie richtig verstanden.
    Sein Blick fiel auf die Schüssel, in der Evelines teuflisch gutes Chili gewesen war. Es war nicht zu spät, um ihr wenigstens das Geschirr zurückzubringen. Natürlich ließ er das Licht an, als er in den Flur hinausging und an der Tür zum Nachbarhaus klopfte. Auf irgendwelche elektronischen Signale reagierte Eveline nur, wenn ihr danach war. Meistens war ihr nicht danach.
    Sie öffnete sofort, als habe sie hinter der Tür gestanden und sehnsüchtig gewartet, dass jemand pochte. Ihr faltiges Gesicht strahlte, und sie sah zu ihm hoch.
    »Deine Augen sind jetzt noch röter als vorhin«, sagte sie, in einem Tonfall, als bereite ihr diese Tatsache Freude. Jeder, der solch ein Chili aß, hatte hinterher rote Augen. Man konnte keine gutgefüllte Schüssel von diesem Zeug essen, ohne wenigstens ein paar Tränen zu vergießen.
    »Es hat prima geschmeckt«, sagte Markus, und ein Stoß traf ihn von der Seite, warf ihn buchstäblich von den Füßen. Die Welt verwandelte sich in ein Durcheinander aus Lärm, herumfliegenden Gegenständen und grellem Licht. Die Sägezähne des Schicksals, die an tausend Lebensfäden nagen. Plötzlich lag er hilflos da, und Eveline lag ebenfalls auf dem Boden, Glas splitterte und eine Sirene jaulte, jemand schrie, eine Menge schlechter Worte, die seine Mutter ihm verboten hätte, und erst bei diesem Gedanken bemerkte Markus, dass es seine eigene Stimme war, die da schrie, und dass er seine Beine nicht bewegen konnte, weil irgendetwas Schweres auf ihm lag. Direkt unter seinem Bauchnabel spürte er in seinem Innern die heftigen Vibrationen. Seine rechte Körperhälfte wurde kalt, und gleichzeitig trat ihm Schweiß auf die Stirn, er schwitzte und fror im gleichen Augenblick. Die Zeit verlor ihre Bedeutung, beinah fühlte er sich, als wäre er wieder auf Ycorgan. Dabei war ihm durchaus klar, dass er sich in einem Schockzustand befand. Seine Umwelt war ein wackliger Film, der in unvermittelten Sprüngen an ihm vorbeihuschte, stehen blieb und weiterlief. Die Schöpfer hockten an seiner Seite und schüttelten mitleidig die schuppigen Schädel. Sie hatten immer gewusst, dass das alles nicht gut ausgehen könnte. Eine finstere Gestalt drehte sich, ihr schwerer schwarzer Mantel schwang in weitem Bogen herum, und es war eine Abgesandte des Oktogons, die den Fluch der Acht zu verbreiten suchte, magische achteckige Symbole sprühten im Rhythmus dieser Musik von den Säumen des Mantels herab ...
    Da waren plötzlich Leute, nebenan in der wirklichen Welt. Dinge wurden beiseite geräumt, Geräte piepsten, Markus wurde aufgehoben und fortgebracht. Fremde Berührungen streiften seine Haut, und nichts davon erreichte ihn wirklich. Kanülen stachen ihn, irgendwelche Sensoren saugten an seinem Kopf und seinem Leib. Man ließ den neugierigen Blick einer Retina-Maschine in die stillen Tiefen seiner Augen fallen, ob er tatsächlich derjenige sei, für den er sich ausgab, aber wer, fragte sich Markus mit völlig unpassender Gelassenheit, wer kann ich schon sein? Und ob wohl die Maschine die Musik, diese seltsame Musik aufzeichnen kann? Auf einer Trage schwebte er an Eveline vorbei, die mit einem Menschen in einem militärisch aussehenden Overall sprach. Die alte Frau hatte einen Verband um die Schulter, und auf ihrer Wange waren ein paar verwischte Blutspritzer. Teufel, dachte Markus, es würde mich interessieren, wessen Blut das ist. Ob die Sensoren an mir diese seltsame Musik aufzeichnen, dachte Markus, das wäre interessant. Dann glitt eine Medizin durch irgendeinen Schlauch in seinen Körper, und sein Bewusstsein begab sich auf einen erhöhten Ort, an dem es nichts Wichtiges mehr gab.
    Die Bilder und Töne verblassten und verschwanden. Eine läutende Glocke hinter meinem Lächeln, summte jemand neben seinem Ohr, und er summte es laut wie die Hölle. Es schüttelt meine Zähne, dachte Markus, schüttelt und rüttelt, und ganz kurz bevor er endlich diese Textzeile wirklich endgültig verstand, schaltete sich sein Denken aus.

12.
Michael Sanderstorm • 6
    Man konnte dem papierbleichen Vierten Stellvertreter vieles nachsagen, man konnte

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