Galdäa. Der ungeschlagene Krieg (German Edition)
erklären. Was ich nicht verstehe: Wenn die Insel der Götter vom Himmel fiel, wieso kommt dann auch das Böse vom Himmel? Haben unsere Linguisten das völlig falsch verstanden?
Auf ihre seltsame, galdäische und unverständliche Art hat man die Landemannschaft wohl retten wollen. Die Bilder, die ich von diesem Zwischenfall gesehen habe, waren mit gutem Grund unter Verschluss. Bleiche Skelette, auf saftigen, grünen Wiesen zu verzwickten Mustern ausgelegt, die offenbar kultische Bedeutung haben; und frisches, tropfendes Fleisch, auf Holzgestelle drapiert. Haut und Muskeln und Eingeweide, ausgebreitet wie Landkarten. Abgezogene Gesichter, einen halben Meter breit von geflochtenen Schilden herablächelnd. Kein Anblick, den man empfindsamen Flottenkommandotypen auf Atibon Legba zumuten sollte. Nun, und wegen dieser Geschichte und wegen genau dieser Bilder befanden sich die Beziehungen der Menschen zu den Vertretern der Vereinigten Fürstentümer von Ganoris nahe am Gefrierpunkt. Und jetzt das. Ein Typ, der nicht Botschafter, sondern »Stimme der Berater des Großfürsten« genannt wird, schmeichelte mit unseren Damen herum, dass es peinlich wurde. Attraktiver Typ, gebe ich ja gern zu, aber die Art und Weise, in der er jeden umschwänzelte, der nicht von Galdäa stammt, war seltsam. Sehr seltsam.
Als Ausgleich dafür gerieten sich später am Abend der Botschafter, nein, die Stimme des Beraters des Großfürsten, und der Sekundärprinz von Kondh in die Haare – nein, nicht handgreiflich. Die haben hier eine gepflegte Art, einander mit spitzen Redensarten zu zerfleischen, die unsereins nicht versteht. Man müsste ein Galdan sein, um diese Anspielungen deuten zu können. Wenn das Gesicht des Sekundärprinzen von rotem und blauem Geflecht bedeckt ist, deutet das auf heftige Erregung hin (hatte ich erwähnt, dass die Leute hier den Kreislauf sozusagen offen tragen?). Dabei ging es um Essen und Tischsitten – kaum ein Thema, um einander aus der Fassung zu bringen. Wahrscheinlich war etwas völlig anderes damit gemeint gewesen – was, weiß der Kuckuck, nicht ich. Überhaupt war diese Zeremonie der Namensgebung ein Festival des planetaren Zanks – unter anderem bekniete uns der Beherrschte Rat von Tsanama, dass Lugg mit Krieg drohe. Und er brauche Waffen. Tja, wie dem Beherrschten Rat etwas abschlagen – offiziell haben wir Konstral ja von Tsanama gemietet oder gepachtet oder so. Oder von Assant? Egal.
Ach, und das Schönste war die Vertreterin von Aras-Toit. Stell Dir vor, das ist eine Art Frauensekte! Die müssen seit langer Zeit vom Rest Galdäas getrennt leben, denn sie vermehren sich durch Jungfernzeugung, also völlig ohne männliches Element. Frage mich nicht, wie! Diese Information hat bei unseren »Wissenschaftlern«, die trotz Tefelburger Protokoll und nach den dramatischen Vorgängen der schwarzen Klötze wegen immer noch hier sind, ungläubiges Staunen ausgelöst. Die Menschheit hat in ihrer Geschichte so manche Dummheit angestellt, und ich habe wirklich viele wilde Legenden gehört – du weißt ja, ich stehe auf so was. Aber Jungfernzeugung? Frauen, die sich selbst duplizieren, indem sie ein unbefruchtetes Ei dazu bringen, sich wie ein befruchtetes zu benehmen? Ich glaube, so weit sind nicht einmal die Vergessenen Acht gegangen.
Ich habe die Aras-Toit-Dame natürlich nicht gefragt, wie sie das mit ihrer Fortpflanzung anstellen (wäre mindestens taktlos), sondern, ob es ein männliches Gegenstück dazu gibt. Das hätte mich brennend interessiert. Gibt es nicht. Die Dame war nicht mal pikiert. Sie schaute mich nicht mal komisch an. Dazu bestehen nicht die Voraussetzungen, sagte sie, sehr sachlich. Nun grüble ich, was sie damit gemeint hat. Das war sie, die Berichterstattung von der danebengelungensten Feier dieses Planeten!
Ich liebe Dich,
Dein Karolus
***
13.3.1717, Galdanjahr 11, auf Konstral
Lieber Markus,
ich habe nichts von Dir gehört, seit ich hier bin. Du müsstest von der Magub-Mission inzwischen zurück sein ...? Schreibe bitte bald! Hier wird die Lage momentan schwierig, um es vorsichtig auszudrücken.
Die Beziehungen der sieben »Staaten« untereinander verändern sich rasch und tiefgreifend, und im Augenblick wissen wir nicht genau, wer nun mit wem gegen wen warum und für wie lange und seit wann überhaupt verbündet ist. Botschafter kommen und gehen, und die Stimme der Berater des Großfürsten hat bei jeder Gelegenheit ein anderes Gesicht. Keine Chance, zu irgendeinem Repräsentanten
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