Gefährliche Flucht - zärtliche Eroberung
von ihm abzuwenden. Es juckte ihr förmlich in den Fingern, sein Kinn mit dem dunklen Bartschatten zu berühren, seine wohlgeformte Nase, seine wie gemeißelt wirkenden Lippen …
Obwohl es keineswegs warm war in der Kutsche, wurde es Madeline heiß. Sie starrte Lucien an, ließ ihren Blick auf ihm ruhen, saugte alles, was sie sah, in sich auf. Gerade wurde ihr bewusst, wie muskulös er gebaut war, als sie mit Entsetzen feststellte, dass er die Augen geöffnet hatte und sie belustigt beobachtete.
„Ist dir warm genug?“, fragte er und lächelte träge.
Madeline spürte, wie ihre Wangen zu brennen begannen. „Oh ja, danke“, beeilte sie sich, ihm zu versichern. Hatte er bemerkt, dass sie ihn betrachtete?
Sein Lächeln vertiefte sich.
Du lieber Himmel! Hastig wandte sie sich ab und sah aus dem Fenster. Gab es da draußen nicht irgendetwas, auf das sie ihre Aufmerksamkeit lenken konnte?
„Spätestens bei Einbruch der Dunkelheit werden wir Whitechurch erreichen und dort im ‚White Hart‘ Quartier nehmen.“
Madeline nickte nur.
„Bist du hungrig? Im Korb ist eine sehr wohlschmeckende kalte Pastete.“
„Nein, danke. Ich warte, bis wir den Gasthof erreichen.“
„Nun, in dem Fall …“ Lucien schloss die Augen.
Madeline hütete sich, den Blick noch einmal auf ihn zu richten.
Das „White Hart“ musste die geschäftigste Umspannstation sein, die Madeline je gesehen hatte. Nicht dass sie sich oft an solchen Orten aufhielt, aber früher war ihre Mutter häufiger mit ihr und Angelina zu ihrer Cousine Mary nach Oxford gereist. Der Gasthof schien aus einem Labyrinth schlecht beleuchteter, verwinkelter Gänge zu bestehen, doch der Privatsalon, den Lucien gemietet hatte, erwies sich als sauber und ordentlich, und das Essen, das man ihnen servierte, war reichlich und sättigend. Rindereintopf mit Karotten, gebackener Schinken, Kartoffeln und zum Abschluss Mohnkuchen. Der Wirt und seine Frau sprachen sie mit Mylady an und waren sehr höflich. Niemand tuschelte hinter ihrem Rücken. Madeline atmete erleichtert auf und begann ihren Eintopf zu löffeln.
„Eine Scheibe Schinken?“, fragte ihr Ehemann, als sie ihren Teller geleert hatte.
„Nein, danke.“
„Dann vielleicht ein Stück Kuchen?“
„Nein.“ Madeline schüttelte den Kopf.
Lucien zog die Brauen zusammen. „Du scheinst nicht sehr viel zu essen.“
„Ich esse genug“, verteidigte sie sich, aber in Wahrheit hatte sie kaum noch Appetit, seit sie Cyril Farquharson kannte, und die drei Tage, die sie mit Lord Tregellas verheiratet war, hatten daran nichts geändert.
Lucien antwortete nichts darauf, er sah sie nur mit seinen hellblauen Augen an.
Madeline wusste, sie hätte ihm keine so schnippische Antwort geben sollen. Es war nicht seine Schuld, dass ihr die Knochen wehtaten und sie nicht mehr klar denken konnte vor Müdigkeit. „Vergib mir, Lucien. Ich bin wohl ein wenig erschöpft.“
„Es war ein langer Tag, und wir sind früh aufgebrochen. Lass uns zu Bett gehen. Wenn du deinen Wein ausgetrunken hast, bringe ich dich nach oben.“
Ihr Herz geriet ins Stolpern bei seinen Worten. Sie nahm noch einen Schluck von dem Claret, schob ihren Stuhl zurück und stand auf.
„Wir teilen uns ein Schlafgemach?“
Madeline warf ihrem Gatten einen erschrockenen Blick zu, während sie an ihm vorbei ins Zimmer ging, damit er die Tür hinter ihnen schließen konnte.
„Du bist sicherer, wenn du nicht allein schläfst“, versetzte er.
„Aber …“
„Kein Aber, Madeline. Es ist nur für diese und die beiden folgenden Nächte. Und ich bin keineswegs das Ungeheuer, als das die Gesellschaft mich gern hinstellt.“ Eine harte, zynische Note hatte sich in seine Stimme geschlichen. „Ich gehe nach unten, damit du dich in Ruhe zu Bett begeben kannst. Verriegel die Tür und mach niemandem auf außer mir.“
Er hatte den Raum verlassen, bevor sie auch nur nicken konnte.
Madeline tat, wie er ihr aufgetragen hatte, dann ließ sie sich auf die Bettkante sinken und begann sich zu entkleiden. Pelisse, Stiefeletten und Strümpfe waren rasch abgestreift. Das dunkelgrüne Reisekostüm ohne Hilfe auszuziehen erwies sich als schwieriger, aber mit ein paar geschickten Verrenkungen gelang ihr auch dies. Nur noch in ihre Chemise gekleidet, kroch sie zwischen die sauber duftenden Laken, dankbar für die Wärmflasche, die jemand ins Bett gelegt hatte. Sie streckte sich aus und entspannte sich. Welch eine Wonne. Zum ersten Mal seit Wochen war sie eingeschlafen, kaum
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