Gefangen in Afrika: Roman nach einer wahren Geschichte (German Edition)
Wolf. Schönen guten Tag. Was kann ich für Sie tun?«
Der deutsche Anwalt, den meine Freundinnen gemeinsam mit mir aufgesucht hatten, faltete erwartungsvoll die Hände vor der Brust. Er war um die sechzig, blass und mager und sah so aus, als hätte er schon lange nicht mehr gut geschlafen. Seine Haut war grobporig, und auf seiner Oberlippe stand ein Schweißfilm. Durch seinen Bürstenhaarschnitt schimmerte die Kopfhaut durch. Die Fenster waren vergittert und zusätzlich von außen durch Bretter vernagelt. Eine müde Funzel gab ebenso wenig Licht wie ein taumelnder Ventilator Luft.
»Ich möchte so schnell wie möglich mit meinen Kindern das Land verlassen.«
»Das ist grundsätzlich eine sehr gute Idee. Ich kann Ihnen nur dazu raten.« Der Anwalt nickte und sah mich traurig an. »Die politischen Verhältnisse spitzen sich zu. Lieber heute als morgen, gnädige Frau.«
Meine Freundinnen standen betreten an der Wand und starrten auf ihre Schuhspitzen. Keine von ihnen konnte wieder zurück. Sie hatten alle ihre Existenz in Deutschland aufgegeben. Ihre Männer versuchten hier, wenigstens ihren Einsatz zurückzukriegen. Jede von ihnen wartete sehnlichst auf das dringend benötigte Startkapital für einen Neuanfang in Deutschland. Dass sie mir überhaupt halfen, war schon ein riesiger Freundschaftsbeweis.
»Mein Mann hat allerdings die Pässe.« Ich rang die Hände. Trotz der Hitze waren sie eiskalt.
»Und das bedeutet?« Der Anwalt musterte mich besorgt. Sein Name war Dr. Alfons Wegener. Er kam aus Detmold und hatte sich das Leben hier in Afrika auch ganz anders vorgestellt.
»Er will die Kinder hierbehalten!« Ich musste schon wieder nach einem Taschentuch suchen.
»Reden Sie ihm gut zu. Er wird Ihnen Ihren Pass geben, wenn Sie die Kinder dalassen.«
Mein Magen zog sich schmerzhaft zusammen.
»Nie im Leben! Nicht ohne meine Söhne!«
»Nehmen Sie die erstbeste Maschine.« Der Anwalt sah mich mitleidig an, weil ich bereits schluchzte. »Und holen Sie die Kinder irgendwann nach.«
»Das kommt gar nicht infrage«, heulte ich auf. »Deswegen bin ich ja hier! Es muss doch eine Möglichkeit geben, an die Pässe zu gelangen! Ich verlasse dieses Land nicht ohne meine Kinder!«
Der Anwalt zog seine ohnehin schon zerknitterte Stirn in tausend Falten. »Liebe Frau Wolf, da muss ich Ihnen gleich reinen Wein einschenken.« Er griff nach einem Glas, in dem vermutlich Wasser war – oder war es Wodka? – und nahm einen großen Schluck.
»Hier in Südwestafrika kann der Mann über seine Ehefrau und die Kinder verfügen. Er kann die Pässe also behalten, sie verstecken oder vergraben, ganz wie er will. Wenn Sie in München tatsächlich unterschrieben haben, dass Sie alle die südafrikanische Staatsangehörigkeit annehmen … « Meine Freundinnen hatten ihn im Vorfeld schon telefonisch eingeweiht. Der Anwalt schüttelte nur mitleidig den Kopf.
»Aber ich war mir der Konsequenzen doch gar nicht bewusst.
Ich habe meinem Mann vertraut«, sagte ich weinend, »das ist doch nachvollziehbar!«
»Das interessiert die südafrikanischen Behörden nicht«, entgegnete der Anwalt ernst.
»Und wenn ich mich scheiden lasse? Dann bin ich doch wieder selbstständig! Bestimmt werden die Kinder mir zugesprochen, er kümmert sich doch gar nicht um sie! Er hat Ehebruch begangen und wird schuldig geschieden!« Eifrig drehte ich mich nach meinen Freundinnen um. »Die können das alle bezeugen!«
»Vergessen Sie’s!« Der Anwalt winkte ab. »In Südafrika hat der Mann das Aufenthaltsbestimmungsrecht über die Kinder. Auch nach der Scheidung.«
Mit zitternden Fingern steckte ich mir eine Zigarette nach der anderen an. Ich war nur noch ein einziges Nervenbündel.
»Versuchen wenigstens Sie, so schnell wie möglich zu fliehen.«
»Aber wie denn?« Entsetzt riss ich die Augen auf und starrte Dr. Wegener an. Der gute Alfons schob mir sein Glas hin, und ich nahm aus Verzweiflung einen Schluck, weil mein Mund so ausgetrocknet war. Es war tatsächlich Wodka. Er brannte mir auf der Zunge, und ich würgte ihn mühsam hinunter. Kurz war ich wohltuend betäubt.
»Versuchen Sie, wenigstens Ihren Pass wiederzubekommen. Und nehmen Sie das nächste Flugzeug nach Deutschland!« Dr. Alfons Wegener nahm einen Schluck Beruhigungswasser. »Solange die Dinger noch fliegen! Ich mache mich auch bald vom Acker! Nächsten Mittwoch bin ich weg!« Er tippte beiläufig auf ein Papier, das unter seiner Schreibtischunterlage hervorsah. Es war ein Ticket der
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