Gefesselt in Seide: Roman (German Edition)
Kellnerin brachte mir ein gekühltes Glas. Ich legte meine brennende Hand darum. War ich tatsächlich so leicht durchschaubar? Er liebte dieses Spiel, und er war immer der Gewinner. Es war ein Tanz, bei dem er führte. Ich frage mich jetzt, ob er nicht auch berauscht war von dem Wissen, daß wir einander gefunden hatten, das perfekte Paar, die perfekte Symbiose?
Ich wechselte das Thema und fragte etwas über den Nahen Osten. Ich wußte, daß auf dem Sinai schwere Kämpfe stattfanden. Er lehnte sich zurück, ließ sein Jackett über dem Gürtel auseinanderfallen. Seine Antworten waren von einer bewußten persönlichen Bescheidenheit geprägt, aber gerade aus diesem Understatement ließen sich seine Begabung und sein Können herauslesen. Ich hatte seinen Namen oft unter Artikeln des Magazins gesehen: Harrold English. Schon wenn man den Namen sah, machte man sich ein Bild von dem Mann. Ich starrte auf sein Handgelenk, den Knöchel, über den der Ärmel seines Jacketts hochgerutscht war. Die Haut war sonnengebräunt, und während er sprach, dachte ich – welch ein fataler, tödlicher, selbstzerstörerischer Gedanke –, wie gern ich diese Stelle berühren würde.
Verstehen Sie, es war eine starke körperliche Geschichte. Ehe der Abend um war, befand ich mich allein mit ihm in einem Zimmer. Wir hatten nicht einmal zu Abend gegessen. Seidene Fesseln banden mich, aber vielleicht kam das auch erst später. Ich befand mich in einem Film, den ich noch nie gesehen hatte, vielleicht niemals gesehen hätte, wenn ich auf seine Fragen nicht ja gesagt hätte. Ich hatte Angst, aber ich war ausgehungert und spielte mit. Ich dachte, glaubte, dies wäre die Liebe, und noch ehe es Morgen wurde, hatte ich das Wort ausgesprochen. Oder er. Wir sprachen das Wort gemeinsam aus und gaben dem, was wir taten, einen Namen.
Am Morgen flog er nach Israel, und ich ging in die Redaktion. Ich glaube, die andern müssen es gesehen haben: Ich war wie ein Kreisel, den jemand in Schwung gebracht hatte, um dann einfach davonzugehen. Ich wußte nicht, wie lange er wegbleiben würde. Er hatte es mir nicht gesagt, und den Chefredakteur konnte ich nicht fragen – das wäre zu auffällig gewesen. Ich machte meine Arbeit, übernahm immer mehr, blieb wie die anderen bis in die Nacht hinein in der Redaktion. Je länger ich mich hier aufhielt, desto größer war die Hoffnung, irgendeine kurze Bemerkung über Harrold aufzuschnappen, über andere von ihm zu hören. Nichts anderes interessierte mich. Abends ging ich nicht aus. Es reichte mir, in meinem Zimmer zu sitzen und an ihn zu denken, in Gedanken immer wieder dieselben Bilder ablaufen zu lassen.
Von der Trauerabteilung wurde ich zu »Trends« versetzt. Das galt als Beförderung.
Ich glaube, in dieser Zeit entwickelte sich das Muster – sein Kommen und Gehen, ohne mich je wissen zu lassen, wann ich ihn wiedersehen würde, so daß ich wie auf dem Sprung zu leben schien, immer in Spannung, immer in Warteposition.
Ich saß in meinem Kabäuschen und interviewte irgend jemanden am Telefon, als er hereinkam und mich ansah. Er war sieben Wochen weg gewesen. Ich hatte nichts von ihm gehört. Er war in Israel und Nigeria gewesen, Paris und Saigon. Ich wußte nicht einmal mit Sicherheit, ob er nicht eine andere Frau hatte. Manchmal hatte ich mir vorgestellt, er schriebe einer anderen. Damals wußte ich noch nicht, daß er niemals schrieb oder anrief, wenn er weg war. Ein Teil seines Plans war es, mich immer im Ungewissen zu lassen. Er trat an meinen Schreibtisch. Ich legte die Hand über die Sprechmuschel des Telefons. Er sagte, er habe zu arbeiten – aber höchstens zwei oder drei Tage. Er fragte, wie es mir gehe. Ich hatte das Gefühl, daß die anderen uns anstarrten, beobachteten. Gut, antwortete ich. Am dritten Abend, sagte er, würden wir zusammen zum Essen gehen. Es war keine Frage.
So hat es angefangen. Wollen Sie weitere Einzelheiten? Er hatte eine große Wohnung auf der Upper West Side, groß und fast leer. Ich hatte ein winziges Zimmer im Village. Also lebten wir bei ihm. Er hatte in Yale studiert, und sein Vater war ein wohlhabender Mann. Die Familie lebte in Rhode Island, direkt am Meer. Harrold war achtundzwanzig, als ich ihn kennenlernte, bei der Zeitschrift bereits etabliert. Man war sich einig, daß er das Zeug zum Starreporter hatte. Er hatte seine Mutter sehr früh verloren, und ich war ohne Vater aufgewachsen, das paßte doch irgendwie zusammen: Unsere Geschichten ergänzten sich.
Was soll
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